Jugend und Corona – The Lost Generation? | 12 Zukunft gerecht
Shownotes
Die Corona-Pandemie hat Einfluss auf viele Bereiche des öffentlichen Lebens genommen, so auch auf das Bildungssystem und die Jugend. Während die Schulen mit großer Anstrengung und Engagement versuchen, auf die radikale und sich schnell verändernde Situation zu reagieren, leidet vor allem die junge Generation unter den Folgen der Pandemie. Welche Auswirkungen die Krise auf die Lebenswirklichkeit unserer Kinder und Jugendlichen hat und was sich in Zukunft ändern muss – diese und weitere Fragen beantworten Expert_innen aus Bildungspolitik und Jugendarbeit sowie die Jugendlichen selbst.
Mit: Prof. Dr. Kai Maaz (DIPF), Prof. Dr. Wolfgang Schröer (Universität Hildesheim), Judith Holle (beWirken), Dr. Martin Pfafferott (FES)
Moderation: Katharina Schohl
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00:00:00: Hallo zum Podcast "Zukunft gerecht der Friedrich-Ebert-Stiftung".
00:00:07: Ich bin Katharina Schohl und ich nehme Sie mit auf eine spannende Reise durch die Welt,
00:00:12: der Fragen, Antworten und Vorschläge zu vielen Themen breichen unserer Zukunft.
00:00:17: Wir alle haben es miterlebt, sei es in der eigenen Familie, im Bekanntenkreis, im Fernsehen
00:00:23: oder der Zeitung, wie sich das Leben während der Pandemie plötzlich um 180° drehen kann.
00:00:29: Meetings, neben Waschmaschine und Trockner, Vokabeltests im heimischen Kinderzimmer,
00:00:33: Vorlesungen zu Hause vor dem eigenen Rechner.
00:00:36: Und auch wenn wieder ein Stück Normalität eingekehrt ist, müssen wir festhalten,
00:00:40: dass der Spuk noch lange nicht vorbei ist.
00:00:42: Denn das vergangen Jahr hat Spuren hinterlassen und das volle Ausmaß der Coronapandemie und dessen
00:00:48: Folgen, insbesondere für Kinder und Jugendliche, werden wohl erst nach und nach sichtbar.
00:00:53: In der aktuellen Folge unseres Podcast "Zukunft gerecht" beleuchten wir, welche Auswirkungen
00:00:59: die Krise auf die Lebenswirklichkeit unserer Kinder und Jugendlichen gehabt hat, welche Probleme sie
00:01:04: in schulischer, aber auch in privater Hinsicht haben und was sie sich selbst für die Zukunft wünschen.
00:01:09: Dafür haben wir neben einigen Expert*innen auch direkt mit betroffenen jungen Menschen gesprochen.
00:01:15: Die Pandemie hat in vielen Bereichen wie ein Brennklass den Fokus auf die bereits bestehenden
00:01:20: Probleme, wie die Digitalisierung oder die Lehrermange gerichtet.
00:01:23: Daraus ergibt sich nun die Chance für die Politik, diese Baustellen ernst zu nehmen und
00:01:27: ihre Maßnahmen dementsprechend zu reformieren.
00:01:28: Die Auswirkungen der Corona-Krise riffen tief in den Lebensweg ein.
00:01:33: In diesen Übergangsprozessen brauchen junge Menschen den unterstützenden Kontakt zu Gleichaltricken,
00:01:39: älteren Ansprech- und Vertrauenspersonen und auch außerhalb der Familie.
00:01:44: Sie brauchen Freiräume und mehr denn je soziale Angebote, um sich auszuprobieren.
00:01:50: Diese Zeit, die wir jetzt erlebt haben, die kommt nicht wieder, die bekommen wir nicht zurück.
00:01:56: Und jungen Menschen steht es zu, jetzt eine Kompensation dafür zu bekommen.
00:02:02: Stimmen wie die von Janik, Vincent oder Almut machen deutlich, dass wir den Blick während
00:02:07: und nach der Pandemie mehr in Richtung Bildungssystem und Jugend werfen müssen.
00:02:12: Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat daher zwei Kommissionen aus Expert*innen und Experten
00:02:17: eingesetzt, um zu beraten, was getan werden muss, damit das Bildungswesen den Herausforderungen
00:02:23: der Corona-Pandemie gewachsen ist.
00:02:25: Zielbar ist, bei der Gestaltung des Schuljahres 2020/21 zu helfen und zu ermitteln, wie Bildungsbenachteiligungen
00:02:34: in Folge der Corona-Pandemie abgemildert oder sogar vermieden werden können.
00:02:38: Hierfür wurden gemeinsam mit Bildungswissenschaftlern, Schülerinnen und Schülern, Eltern, Lehrkräften,
00:02:44: Sozialarbeiter*innen sowie Schulleiterinnen und Schulleitern verschiedene Handlungsfelder
00:02:49: erarbeitet.
00:02:50: Erstens.
00:02:51: Eine flexible Gestaltung von Schule und ihren Rahmenbedingungen.
00:02:56: Zweitens.
00:02:57: Die Förderung etwa in frühkindlichen Einrichtungen sowie außerhalb des Unterrichts.
00:03:02: Drittens.
00:03:03: Lernpartnerschaften.
00:03:04: Und viertens.
00:03:05: Die Unterstützung durch digitale Technologien.
00:03:08: Dr. Martin Pfafferott, Leiter des Bereichs Bildungs- und Hochschulpolitik der FES erklärt.
00:03:15: Die Ergebnisse der Kommission waren im Hinblick zum einen auf die Politik, auf die Entscheidungsträger*innen
00:03:19: und der Entscheidungsträger*innen in der Politik.
00:03:21: Zum anderen aber natürlich auch schon für eine allgemeine Öffentlichkeit bestimmt,
00:03:24: die sich mit diesem Thema auseinandersetzt.
00:03:26: Das treibt ja sehr, sehr viele Menschen, die sorgen, um dass sich Bildungsungleichheiten
00:03:30: durch Corona verschärfen.
00:03:31: Letztlich ist es aber ein Instrument der Politikberatung, mit dem wir insbesondere eben auch die Politik
00:03:36: und die Schulverwaltung im Fokus haben.
00:03:38: Zudem sollten die Ergebnisse so Pfafferott als Grundlage dienen, um einen möglichst
00:03:44: breiten Diskurs anzuregen, aber auch um Handlungsempfehlungen zu vermitteln.
00:03:49: Dabei spielten nicht nur kurzfristige Fragestellungen eine Rolle, wie etwa der Wechselunterricht gestaltet
00:03:54: werden sollte oder zusätzliche Lernzeiten generiert werden können, sondern auch, was
00:03:59: generell getan werden muss, um unser Schulwesen an die neuen Rahmenbedingungen anzupassen.
00:04:05: Da geht es beispielsweise darum, den Bildungsauftrag der Kindertagesstätten zu stärken.
00:04:10: Ganz, ganz wichtig, ungleiches Ungleich zu behandeln im Bildungssystem.
00:04:13: Das heißt also, Schulen mit schwierigen sozialen Ausgangslagen mehr Unterstützung zu geben,
00:04:18: aber auch solche Fragen, wie das im Grunde über so etwas wie das Sitzenbleiben mal nachgedacht
00:04:23: werden sollte.
00:04:24: Es gibt kaum wirkliche Hinweise darauf, dass Sitzenbleiben etwas bringt den Schülerinnen
00:04:28: und Schülern, wie auch dem gesamten Bildungssystem, bis hin zu einer dringend notwendigen Reform
00:04:33: der Lehrkräftefortbildung.
00:04:35: Es ist also noch einiges zu tun.
00:04:37: Daran hat die Corona-Pandemie nichts verändert.
00:04:40: Die Resonanz auf die Arbeit der Kommission war groß, auch auf politischer Ebene.
00:04:45: Das zeigt sich unter anderem in dem Corona-Aufholprogramm von Bund und Ländern.
00:04:50: Ich glaube, viele der Punkte, die die Kommission empfohlen hat, finden sich in diesem Aufholprogramm
00:04:55: wieder.
00:04:56: Insbesondere, wenn es darum geht, dass es nicht nur um das Lernen an sich gehen kann, sondern
00:05:00: dass bei der Beachtung dessen, was jetzt in der nächsten Zeit wichtig ist, insbesondere
00:05:04: dieser psychosoziale Bereich, ganz besonders wichtig ist, auch so etwas wie Sprachförderung
00:05:08: in Kitas eine größere Bedeutung erhalten sollte.
00:05:10: Das sind Punkte, die wir schon relativ früh genannt haben und die, glaube ich, auch ein
00:05:15: Baustand dabei waren, dass wir eben bei diesem Corona-Aufholprogramm sehr breiten Ansatz
00:05:19: haben und eben nicht nur auf die Lernlücken und auf den schulischen Teil schauen, sondern
00:05:23: auf die jungen Menschen als ganz Persönlichkeit.
00:05:25: Eine ähnlich positive Bilanz im Hinblick auf die Arbeit der Kommission zieht auch Professor
00:05:30: Kai Maas, Leiter der Expertenkommission der FES.
00:05:34: Er hat sich während seiner Arbeit in der Kommission intensiv mit dem Schulwesen während
00:05:39: der Pandemie beschäftigt und natürlich eben auch mit der Situation der Schülerinnen und
00:05:43: Schüler.
00:05:44: Dabei ist deutlich geworden, die Herausforderungen waren und sind groß für manche mehr, für
00:05:50: andere weniger.
00:05:51: Was ja allen Schülern gefehlt hat, war die Strukturgebung der Schule, also der geregelte
00:05:56: Tagesablauf, der Ablauf mit verschiedenen Fächern jeden Tag.
00:06:00: Schule als Lernort, Schule als Lebensraum ist nicht vollständig, aber fast vollständig
00:06:05: weggebrochen und die Schüler waren insgesamt auf sich alleine gestellt teilweise.
00:06:09: Wenn man sich jetzt vorstellt, dass die Familien auch unter unterschiedlichen Rahmenbedingungen
00:06:14: mit dieser Situation zurechtkommen mussten, dann kann man sich gut vorstellen, dass das
00:06:17: in der Situation ist, die schwierig ist.
00:06:19: Wenn man den internationalen Forschungsstand sich anschaut, dann scheint es schon so zu
00:06:24: sein, dass diese Lerneinstädte insbesondere Schülerinnen aus sozial weniger begünstigten
00:06:29: Familien und leistungsschwache Schülerinnen betreffen.
00:06:33: Worauf sich die Schulen also in Zukunft werden einstellen müssen, ist, dass es keine so
00:06:37: einheitliche Schülerschaft mehr gibt wie noch vor der Pandemie.
00:06:40: Die Leistungen einiger Schüler haben sich durch das Distanzlernen verschlechtert,
00:06:45: während sie sich bei anderen verbessert haben.
00:06:47: Eine Herausforderung, auf die die Lehrkräfte reagieren müssen und für die sie Unterstützung
00:06:52: brauchen.
00:06:53: Wenn die Interagentität größer wird, braucht es vielleicht auch Unterstützungsangebote für
00:06:58: die Lehrpersonen.
00:06:59: Das Gleiche trifft sicherlich für den gesamten Bereich der Digitalisierung zu.
00:07:02: Auch da sollte man die Lehrpersonen unterstützen, um die Möglichkeiten, die die Technologien bieten,
00:07:08: dann auch wirklich in der schulischen Praxis umsetzen zu können.
00:07:12: Klar ist schon jetzt ein normales Schuljahr, wird es auch dieses Jahr nicht geben.
00:07:16: Die Frage ist, ob die Schulen dieses Mal ausreichend darauf vorbereitet sind.
00:07:20: Der zweite Lockdown hat gezeigt, dass das nicht überall der Fall war.
00:07:24: Maas hat deshalb klare Empfehlungen.
00:07:26: "Wir brauchen letztendlich relativ schnell einen Überblick über die Lernstände der einzelnen
00:07:32: Schülerinnen.
00:07:33: Wir brauchen darauf aufbauend sicherlich Förderangebote und wir brauchen Informationen
00:07:40: insbesondere für den Leistungsschwächerenbereich.
00:07:42: Das heißt, wir müssen schauen, wie wir aus Lernstandserhebung möglicherweise Instrumente
00:07:47: entwickeln, die besser differenzieren und dann die entsprechenden Förderangebote machen."
00:07:52: Auch die Trainerin für Jugendbildung Judith Holle hat sich zusammen mit der Organisation
00:07:57: bewirken, das Ziel gesetzt, Veränderungen in den Schulen anzustoßen und diese auf ihrem
00:08:02: Weg dahin zu begleiten.
00:08:04: Dazu haben sie mehr als 4.000 Jugendliche unter anderem zum Thema Lernen während Corona
00:08:09: befragt.
00:08:10: Das Ergebnis?
00:08:11: Etwa 73% wollen in Zukunft selbst entscheiden, ob sie zu Hause lernen oder in die Schule
00:08:18: gehen.
00:08:19: "Dem entspricht auch ganz doll die individuelle Einschätzung von Schülerinnen und Schülern,
00:08:24: dass die eigene Zeitanteilung, diese Flexibilität, in dem wie ich meine Zeit nutze, wann ich
00:08:29: lerne, wann ich gut lernen kann, dass das am allerpositivsten wahrgenommen wurde während
00:08:36: der Corona-Pandemie-Zeit und der Schule, die ja währenddessen auch stattgefunden hat."
00:08:41: Darüber hinaus haben 80% gesagt, dass sie sich mehr digitale Lehrangebote wünschen.
00:08:47: Dafür braucht es jedoch mehr Dienstgeräte für die Lehrkräfte, Geräte für die Schülerinnen
00:08:51: und Schüler, aber auch pragmatische Lösungen im Hinblick auf den Datenschutz, so Holle,
00:08:57: um digitales Lernen zu ermöglichen und nicht vor und vorne rein zu behindern.
00:09:01: "Für eine Digitalisierung von Schulen und auch für mehr digitales Lernen, auch auf
00:09:06: eine pädagogische Art und Weise, braucht es einfach jetzt ganz, ganz viel Neues, was erarbeitet
00:09:12: werden muss und um das zu ermöglichen, braucht es auch eine gute Lehrkräfte aus und Weiterbildung,
00:09:18: damit wir gute Schule machen können, digital gestützt, aber letztendlich an den Schülerinnen
00:09:24: orientiert und an den Bedürfnissen, die diese mitbringen."
00:09:29: Die schulischen Leistungen sind das eine.
00:09:32: Doch die Corona-Pandemie hat auch auf die emotionale Verfassung unserer Kinder und Jugendlichen
00:09:37: eingewirkt.
00:09:38: Und sie hat ihnen vor Augen geführt, welchen politischen Stellenwert sie in der Gesellschaft
00:09:42: haben.
00:09:43: Janik Becker, Vorstand der Landesschülerinnenvertretung
00:09:46: Rheinland-Pfalz erklärt uns hierzu, um diesen Aspekten etwas genauer nachzugehen entstanden
00:10:04: im Frühjahr 2020 über die Universität Hildesheim, die bundesweiten Studien Kiko und Yuko, die
00:10:11: die Erfahrungen und Perspektiven von Kindern und jungen Menschen fokussiert haben.
00:10:15: Was die Macher der Studien bewegt hat, das fasst Professor Wolfgang Schrör von der
00:10:19: Uni Hildesheim für uns zusammen.
00:10:21: "Uns ist aufgefallen, dass die Lebenssituation von jungen Menschen kaum im Visier war.
00:10:26: Darum haben wir sofort gesagt, wir müssen junge Menschen zu Wort kommen lassen und haben
00:10:31: da um die 5.000 bis 6.000 junge Menschen erreicht, sodass wir bereit versucht haben, in der Diskussion
00:10:38: zu sein mit den jungen Menschen.
00:10:39: Und das war auch die Botschaft vieler.
00:10:41: Wir sehen dieses Studium als etwas, worüber uns Gehörverschaft wird, wie es uns geht
00:10:46: und wie Politik und Gesellschaft auf die Situation junge Menschen reagieren soll."
00:10:50: Die Kinder und Jugendlichen mussten auf viel mehr als nur auf die Schule verzichten.
00:10:56: Keine Kindergeburtstage und Abhängen mit den Freunden etwa, aber auch keine Partys in
00:11:01: der Disko, was – so sind wir mal ehrlich – doch zum Erwachsenwerden dazugehört.
00:11:05: Stattdessen saßen sie in dieser wichtigen Zeit, in der man so viele unwiederbringliche
00:11:10: Erfahrungen macht, zu Hause.
00:11:12: Und kaum einer so schien es, hat sich ernsthaft dafür interessiert, was das mit ihnen macht.
00:11:18: "Wenn Sie das Jugendalter nehmen, dann haben Sie hier eine Phase, die ist durch Übergänge
00:11:22: geprägt, die ist geprägt durch gleicheiltrigen Gruppenlebens, die ist geprägt durch Ortswechsel.
00:11:28: Erstes Mal alleine wohnen.
00:11:30: Kaum einer Zeit zwischen 13 und 27 sagen Sie so häufig, das habe ich dazu im ersten Mal
00:11:36: gemacht.
00:11:37: Und diese Anfänge sind blockiert.
00:11:38: Und das können Sie manchmal nicht wiederholen.
00:11:41: Und nur sagen wir, dass die Covid-19-Pandemie schon eine andere Jugend strukturiert hat."
00:11:47: Aber es kristallisierte sich noch ein anderes Problem heraus.
00:11:50: Die Einsamkeit.
00:11:52: Ewig nur zu Hause zu sitzen statt mit den Freunden abzuhängen, das nimmt unweigerlich
00:11:57: Einfluss auf die Entwicklung.
00:11:59: Sicher.
00:12:00: Vieles wird sich von alleine wieder einpendeln, einiges aber auch nicht.
00:12:04: Was also tun?
00:12:05: "Rus wär es ja, wenn man jetzt zu einer Jugendpolitik käme, die sagt, wir vertrauen jetzt mal
00:12:11: der Jugend und wir geben denen wirklich eine andere Form von Jugendsicherung, damit Sie
00:12:17: auch selber entscheiden können, wie Sie Ihre Erfahrungen aufarbeiten und wirklich sagen,
00:12:22: wir fangen an mit einer Jugendsicherung, die jedem jungen Menschen einen bestimmten
00:12:27: Betrag gibt.
00:12:28: Und ihm erstmal vertraut, dass etwas passiert und wir bieten in den Institutionen und Organisationen
00:12:33: auch an, dass wir sehr großzügig mit den Zeiten umgehen, den Fristen, die Sie einhalten
00:12:39: müssen, Dinge nachzuholen, zu machen und zu tun."
00:12:42: Das ist Punkt Nummer eins.
00:12:44: Dazu gehört aber auch, alte Muster aufzubrechen.
00:12:48: "Als Zweites wär mir wichtig, nicht zu viel von Nachholen und Aufholen und Defiziten
00:12:54: zu reden, als müssten wir schon, wo diese jungen Menschen hinmüssen.
00:12:58: Weil Aufholen sagt ja immer, ich bin schon hier und du bist da und du musst da wieder
00:13:02: hin.
00:13:03: Da gilt es eine Politik zu machen, die da wirklich neue Räume jetzt öffnet in dieser
00:13:08: Form in andere Angebote macht."
00:13:10: Räume öffnen.
00:13:12: Davon ist noch immer zu wenig zu sehen.
00:13:14: Schreuer und seine Kolleginnen haben beobachtet, dass die Jugend besonders zu Anfang der Pandemie
00:13:19: außen vorgelassen wurde.
00:13:21: Erst im Zuge der zweiten Schulschließung wurde deutlich, wie belastet unsere Kinder
00:13:25: und Jugendlichen sind.
00:13:27: Die Jugend mal in die Ideenfindung oder Entscheidungsprozesse mit einzubeziehen, dafür
00:13:32: hat es aber offenbar noch nicht gereicht.
00:13:34: Es bleibt dabei.
00:13:35: Für die Kinder und Jugendlichen wird zu wenig getan, ihnen wird zu wenig angeboten und
00:13:41: sie sind bis auf wenige Ausnahmen kein Teil der politischen Aufmerksamkeit.
00:13:46: Übertreiben wir?
00:13:47: Das sollten wir die Jugendlichen selbst fragen.
00:13:50: Und genau das haben Professor Schreuer und seine Kolleginnen mit ihrer Studie getan.
00:13:54: "Es kommt immer wieder der Satz, wir sind nicht nur Schülerinnen und Schüler und Jugend
00:13:58: ist nicht nur Abitur.
00:13:59: Das ist das, was sie sehr stark wahrgenommen haben, viele junge Menschen, dass man reduziert
00:14:04: wird auf eine bestimmte Abschlussform.
00:14:07: Wir sind nicht nur Schüler, wir sind nicht nur Abitur.
00:14:09: Jugend funktioniert nicht nur, wenn wir lernen.
00:14:11: Das Zweite ist, dass die jungen Menschen doch verdeutlicht haben, dass die Beteiligungsformen
00:14:16: bei uns in der Gesellschaft nicht krisenfest sind.
00:14:18: Und vielleicht ein letzter Punkt.
00:14:20: Wir sollten jetzt acht geben, nicht die junge Generation zu pathologisieren.
00:14:25: Bevor wir wiederum nicht die Erfahrungen junger Menschen mit ihnen besprochen, ausgewertet
00:14:31: haben, sind wir viel zu schnell dabei, Lernrückstände festzumachen.
00:14:35: Wir machen aus meiner Sicht wieder den Fehler, jungen Menschen zu messen und zu vergleichen
00:14:41: und sie in einen Wettbewerb zu setzen, anstatt konstruktiv damit ihnen zu arbeiten.
00:14:46: Das haben sie jetzt wirklich nicht verdient, diesen Wettbewerb um nachholen Lernrückstände
00:14:50: und anderes."
00:14:51: Almut Grossmann Mitglied des User-Bundesvorstands hat am eigenen Leib erfahren, wie die Corona-Pandemie
00:14:58: das Leben verändert hat.
00:14:59: In ihrem praktischen Jahr am Ende ihres Medizinstudiums musste sie auf viele Seminare verzichten.
00:15:05: Sie durfte nicht bei Besprechungen dabei sein, sie konnte ihre Kollegen nicht richtig kennenlernen.
00:15:10: Aber das ist nichts dagegen, was viele andere junge Menschen überstehen mussten.
00:15:14: "Ich konnte wenigstens jeden Tag arbeiten gehen, ich hatte keine finanziellen Sorgen.
00:15:19: Viele jungen Menschen ging es da ganz anders.
00:15:22: Die jungen Menschen haben auf Abschlussfeiern verzichtet, auf Treffen mit Freunden in der
00:15:28: Schule, auf das gemeinsame Kicken auf dem Fußballplatz, auf Sportverein Musik unterricht und je länger
00:15:35: diese Belastung insgesamt andauert, desto größer sind auch die Folgen, die für junge Menschen
00:15:41: vielleicht für eine lange Zeit andauern werden und auch ihre Zukunft beeinflussen."
00:15:46: Die Krise hat uns gezeigt, wo richtig was schiefläuft.
00:15:50: Aber auch, wie schnell sich Dinge ändern können, wenn der politische Wille da ist.
00:15:54: Wir können etwas ändern, wenn wir es nur wollen, sagt Eimuth.
00:15:58: Und was genau das sein muss, davon hat sie eine klare Vorstellung.
00:16:01: "Aktuell werden viele Entscheidungen von Menschen getroffen, die über 50 sind.
00:16:06: Und dabei geht es eigentlich vor allem um unsere Zukunft, um die Zukunft von jungen Menschen.
00:16:10: Beteiligung kann ja auch auf vielen Ebenen stattfinden.
00:16:14: In der Schule, in der Uni, im Jugendparlament, in einer demokratischen Freizeitgestaltung.
00:16:20: All das hat in der Pandemie aber eben nicht funktioniert.
00:16:23: Die Beteiligung von jungen Menschen muss allerdings dringend von Krisen unabhängig sein.
00:16:28: Und bei Fragen wie wird zum Beispiel die Schule gestaltet, welche Möglichkeiten gibt es an
00:16:32: der Uni oder in der Ausbildung.
00:16:34: Überall da müssen auch während der Krise die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen
00:16:39: stattfinden.
00:16:40: Beteiligung ist eben kein Nice to have für Zeiten, in denen das unkompliziert funktioniert,
00:16:46: sondern eben essentiell."
00:16:47: Um die Situation der jungen Menschen zu verbessern, müssen aber noch weitere Dinge passieren.
00:16:53: Das BAföG sollte angehoben werden, so Eimuth.
00:16:56: Es braucht eine Kindergrundsicherung, eine finanzielle Unterstützung für Jugendverbände.
00:17:00: Und Eimuth hat noch einen weiteren Vorschlag.
00:17:03: "Ausserdem hätte man über den Sommer und dafür ist der Zug noch lange nicht abgefahren.
00:17:09: So ein Gutscheinprogramm ermöglichen können, mit dem junge Menschen über den Sommer
00:17:14: eine Unterstützung bekommen hätten.
00:17:15: Fürs Freibad, fürs Kino, für Freizeitaktivitäten, damit junge Menschen endlich ein bisschen
00:17:22: was zurückkommen von dem, was sie die letzten anderthalb Jahre eben nicht abbekommen haben."
00:17:27: Zuhören schafft Zukunft.
00:17:31: So in etwa könnte der Slogan dieser Folge lauten.
00:17:34: Erst wenn wir anfangen, uns ernsthaft in die Jugendlichen hinein zu versetzen, uns mit
00:17:38: ihnen auszutauschen und ihnen das nötige Maß an politischer Mitgestaltung zuzusprechen.
00:17:43: Erst dann schaffen wir es, die Folgen der Corona-Pandemie zu überwinden.
00:17:47: Zuhören heißt aber auch, die Jugendlichen in Entscheidungsprozesse aktiv mit einzubeziehen
00:17:53: und ihre Äußerungen ernst zu nehmen, statt ihre Sorgen mitsetzen wie "das wird schon"
00:17:58: oder "was weißt du denn schon" zu verharmlosen.
00:18:02: Es muss uns gelingen, die negativen Auswirkungen der Pandemie auf die jungen Menschen, sowohl
00:18:06: in schulischer als auch in emotionaler Hinsicht, durch entsprechende Programme und Angebote
00:18:11: aufzufangen.
00:18:12: Dazu gehört, die Lehrerschaft entsprechend weiterzubilden, damit diese besser auf die
00:18:17: individuellen Bedürfnisse ihrer Schülerinnen und Schüler eingehen können.
00:18:21: Dazu gehört außerdem, allen Schülerinnen und Schülern dieselben technischen Mittel
00:18:25: bereitzustellen, insbesondere jenen aus sozialschwächeren Familien.
00:18:30: Und dazu gehört auch, Bildungsstrukturen zu hinterfragen und diejenigen Gruppen in
00:18:34: den Fokus zurück, die von der vermeintlichen Norm abweichen, wohnungslose etwa oder junge
00:18:39: Menschen mit Behinderungen.
00:18:41: Das ist unsere Verantwortung für diese und die kommenden Generationen, um ihnen die
00:18:46: Angst vor der Zukunft zu nehmen und ihnen das nötige Selbstbewusstsein mit auf den
00:18:50: Weg zu geben, tatsächlich etwas verändern zu können.
00:18:54: Denn die Angst vor der Zukunft ist da, das hat uns Janik Beckab bestätigt.
00:18:58: "Die Jugendlichen sind vielleicht nur ein vergleichsweise kleiner Teil der Bevölkerung.
00:19:02: Ihnen stehen aber noch sämtliche Folgen der großen Probleme unserer Zeit bevor.
00:19:05: Es sollte also eine Selbstverständlichkeit sein, dass sie an der Lösung dieser in einem
00:19:09: ernsthaften Diskurs beteiligt werden."
00:19:11: Wir freuen uns, wenn Sie den Podcast der Friedrich-Ebert-Stiftung abonnieren.
00:19:16: Sie finden uns auf Spotify, Apple Podcast und allen anderen bekannten Podcast-Plattformen.
00:19:22: Ich sage danke fürs Zuhören bei "Zukunft gerecht", dem Podcast der Friedrich-Ebert-Stiftung.
00:19:28: Bis zur nächsten Folge.
00:19:29: [Musik]
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