Männer und Frauen sind gleichberechtigt – Warum wir ein Paritätsgesetz brauchen | 19 Zukunft gerecht
Shownotes
"Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin". So steht es im Artikel 3 des Grundgesetzes. Nicht nur in Bereichen wie Care-Arbeit und Entlohnung, auch in den deutschen Parlamenten sind wir von Gleichberechtigung noch weit entfernt. Oder warum sind nur 35 % der Abgeordneten im Bundestag Frauen? Mit einem Paritätsgesetz, das den gleichen Anteil an weiblichen wie männlichen Abgeordneten entsprechend ihres Anteils in der Bevölkerung vorsieht, könnte ein Schritt zu mehr Gleichstellung erreicht werden. Unsere Expertinnen entwerfen ein Modell, das für Chancengleichheit im politischen System sorgt und zeigen auf, wieso Parteien der Schlüssel zu mehr Gleichberechtigung sind.
Mit: Prof. Dr. Silke Laskowski (Uni Kassel), Dr. Helga Lukoschat (EAF Berlin), Dr. Nora Langenbacher (FES), Moderation: Katharina Schohl
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00:00:00: Hallo zum Podcast Zukunftgerecht der Friedrich-Ebert-Stiftung.
00:00:08: Ich bin Katharina Scholl und nehme Sie mit auf eine spannende Reise durch die Welt der
00:00:13: Fragen, Antworten und Vorschläge zu vielen Themenbereichen unserer Zukunft.
00:00:18: Einleiten möchte ich diese Reise heute mit einem Blick in unser Grundgesetz.
00:00:23: Genauer gesagt in den Artikel 3.
00:00:26: Dort heißt es.
00:00:27: Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
00:00:30: Männer und Frauen sind gleichberechtigt.
00:00:33: Wie viel an diesem Grundrecht tatsächlich dran ist, das wollen wir in dieser Folge herausfinden
00:00:39: und unter die Lupe nehmen, wie es denn so in der Realität mit der Gleichberechtigung
00:00:44: aussieht.
00:00:45: Das ganze am Beispiel unserer politischen Landschaft.
00:00:48: Sind Frauen und Männer in unseren Parteien und Parlamenten wirklich so gleichberechtigt
00:00:53: und gleich vertreten, wie es im Grundgesetz festgeschrieben ist?
00:00:57: Oder ist es nicht viel eher so, dass ein Geschlecht mehr politische Macht hat als das
00:01:02: andere?
00:01:03: Eine Frage, die uns, wie die Juristin und Professorin Dr.
00:01:07: Silke Laskowski beschreibt, schon etwas länger beschäftigt.
00:01:10: Das, was wir heute diskutieren, wird schon seit 1949 diskutiert, gerät aber immer wieder
00:01:18: in Vergessenheit.
00:01:19: Und dann, wenn wir das Thema aufgreifen, tun alle so als handele es sich um etwas Neues,
00:01:26: Exotisches, Unanständiges.
00:01:28: Die gleichberechtigte Machtverteilung von Männern und Frauen, Parität genannt, ist
00:01:33: also offenbar ein Thema mit Historie und Diskussionspotenzial.
00:01:37: Und offenbar ist es uns in den vergangenen 75 Jahren nicht gelungen, das eigentlich Selbstverständliche
00:01:44: gleiche Teilhabe von Frau und Mann umzusetzen.
00:01:47: Noch immer sind Frauen in der Politik unterrepräsentiert, wie Dr.
00:01:52: Nora Langenbacher belegt, Referentin im Landesbüro Berlin der FES und Mitautoren der Studie
00:01:58: Frauen macht Berlin.
00:02:00: Das gilt sowohl, wenn man mit Blick auf den Bundestag sich den Frauenanteil anschaut,
00:02:04: das sind wir ja bei 35 Prozent, aber auch wenn man in die Länderparlamente schaut, da
00:02:09: haben wir eben auch die Situation, dass wir von der gleichberechtigten Teilhau weit entfernt
00:02:13: sind.
00:02:14: Wenn man die Länder anguckt, zum Beispiel nur in Hamburg tatsächlich auch, wenn Frauenanteil
00:02:18: über 40 Prozent, ansonsten sind wir eher so in den 30ern, das heißt, de facto werden
00:02:24: eben politische Entscheidungen von einer Überzahl von Männern getroffen, und zwar auf allen
00:02:28: Ebenen in der deutschen Politik.
00:02:30: Und das, obwohl Frauen in Deutschland denselben Bevölkerungsanteil ausmachen wie Männer.
00:02:35: Von Parität, also der Zusammensetzung unserer Parlamente aus 50 Prozent Frauen und 50 Prozent
00:02:42: Männern sowie der Berücksichtigung von nicht binären Personen, sind wir weit entfernt.
00:02:47: Und damit verstoßen wir wissentlich gegen unser Grundgesetz.
00:02:51: Mir fällt da immer auch unsere Elisabeth Selbert ein, das war ja eine der Mütter unseres
00:02:56: Grundgesetzes, die hat diesen schönen Satz geprägt, das sie gesagt hat, eigentlich ist
00:03:00: eben diese Unterrepräsentanz, die wir sehen in den Parlamenten Deutschlands Verfassungsbruch
00:03:05: in Permanenz.
00:03:06: Ein Zustand, den wir nicht auf die leichte Schulter nehmen sollten.
00:03:10: Denn das Ungleichgewicht der Geschlechter hat auch Auswirkungen auf unser gesamten
00:03:15: demokratisches Verständnis.
00:03:17: Man kann sagen, im Prinzip ist Demokratie unvollständig, solange die eine Hälfte der Bevölkerung
00:03:23: wirklich seit Jahrzehnten unterrepräsentiert ist.
00:03:26: Und wir merken eben über die Jahre hinweg, dass es Fortschritte zwar gibt durchaus, aber
00:03:32: diese Fortschritte sind erstens nur sehr langsam.
00:03:35: Und wir haben auch immer wieder schon Rückschritte beobachten können, je nachdem wie die politischen
00:03:39: Konstellationen ausfallen.
00:03:41: Also für mich ist Parität ein Gebot der Gleichberechtigung zum einen, aber eben auch ein Gebot der Demokratie.
00:03:46: Sagt Dr.
00:03:47: Helga Lukus Schatt von der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft und
00:03:53: Autorin der Studie Frauen macht Berlin und stößt damit in dasselbe Horn wie eins der
00:03:58: Politiker August Bebel.
00:03:59: Der stellte bereits im 19.
00:04:01: Jahrhundert klar, dass nur die Gleichstellung, die Freiheit demokratischer Gesellschaften
00:04:07: herstellen und festigen kann.
00:04:09: Es fehlen ja dann auch Erfahrungen, Sichtweisen Buchstäbliches, es fehlen dann die Stimmen
00:04:13: von Frauen in den wichtigsten Entscheidungsgremien unseres Landes.
00:04:17: Und ich glaube, da stimmen wir noch weitgehend auch als Gesellschaft überein, dass eine Demokratie
00:04:22: davon lebt, dass eben Frauen wie Männer möglichst vielfältig vertreten sein können.
00:04:28: Ich stelle es sich nur einmal umgekehrt vor, wenn seit 75 Jahren Frauen zu 90, 80, 70 Prozent
00:04:34: in den Parlamentensäsen würden sich die Männer vielleicht auch wundern und zu Wort melden
00:04:39: und sagen, passt mal auf, da kann doch eigentlich was nicht wirklich stimmen.
00:04:42: Dass etwas nicht stimmt, das ist bekannt.
00:04:45: Und Erkenntnis ist ja bekanntlich der erste Weg zur Besserung, immerhin.
00:04:50: Aber was genau können wir jetzt tun?
00:04:52: Um das herauszufinden, müssen wir erneut in die Vergangenheit blicken.
00:04:57: Denn erst wenn wir verstehen, wie das bestehende System funktioniert und die Ungleichheit begünstigt,
00:05:02: erst dann können wir auch gezielt etwas dagegen unternehmen.
00:05:05: Jetzt mal rein historisch betrachtet.
00:05:07: Wir haben seit über 100 Jahren das Frauenwahlrecht, aber die ganzen Verfahrensweisen, die Prozeduren
00:05:14: der Demokratie, wie wir sie kennen, einer Parteiendemokratie eines repräsentativen Systems, sind im 19.
00:05:19: Jahrhundert entstanden und zwar ganz explizit unter dem Ausschluss der Frauen.
00:05:24: Und das wirkt tatsächlich bis heute nach.
00:05:26: Also die Männer sprechen für das Allgemeine.
00:05:28: Die Frauen waren eben historisch gesehen auch immer fürs private zuständig.
00:05:32: Das hat sich natürlich geändert.
00:05:34: Aber nach wie vor, was wir in letzter Zeit vor allen Dingen auch beobachten können und
00:05:38: was wir auch erforscht haben, ist das gerade die Parteien und die Parteikulturen, die bestimmen.
00:05:43: Ja, wer hat den Zugang?
00:05:44: Wer wird aufgestellt?
00:05:46: Ja, das entscheiden ja nicht wir als Wählerinnen.
00:05:47: Wir können dann wählen, dass die Parteien wirklich in ihren Kulturen eben sehr, sehr
00:05:51: stark männlich geprägt.
00:05:53: Eine Ursache liegt also in der Kultur unserer Parteien.
00:05:57: Sie entscheiden, welche Personen nominiert werden.
00:06:00: Und demnach auch, wen wir am Wahltag überhaupt wählen können.
00:06:03: Und siehe da, wir stellen fest, dass hier ein ganz starkes Übergewicht von Kandidaten
00:06:10: zu finden ist, also von Männern.
00:06:11: Das heißt, wir finden seit mehr als 70 Jahren eine klare strukturelle Prämedigierung von
00:06:18: Männern, die so von der Verfassung nicht vorgesehen ist.
00:06:22: Worauf Silke Laskowski anspielt, ist erneut der Artikel 3 unseres Grundgesetzes.
00:06:28: Darin heißt es nämlich weiter, Einsatz 2.
00:06:31: Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern
00:06:36: und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
00:06:40: Niemand darf wegen seines Geschlechts benachteiligt werden.
00:06:44: Für viele Jurist*innen und Politiker*innen bedeutet das, dass der Gesetzgeber dazu
00:06:49: verpflichtet ist, eine Erhöhung des Frauenanteils in den Parlamenten und demnach für eine paritätische
00:06:55: Besetzung zu sorgen.
00:06:56: Seit Anfang der 90er Jahre ist ja nicht nur der Satz drin, Frauen und Männer sind gleichberechtigt,
00:07:01: sondern auch, dass der Staat die Pflicht hat, gegen die Diskriminierung von Frauen anzuwirken
00:07:06: und sie aktiv zu gestalten, die Gleichberechtigung insofern.
00:07:09: Soziale Demokratie braucht Geschlechtergerechtigkeit oder setzt diese voraus.
00:07:14: Dessen ungeachtet haben es Frauen in der wirklichen Welt, aber immer noch schwerer,
00:07:19: als Kandidat*innen in Wahlkreisen aufgestellt zu werden.
00:07:22: Sie begegnen strukturellen Hürden und werden seltener für aussichtsreiche Wahlkreise benannt
00:07:27: und damit nicht genug.
00:07:29: Das äußert sich zum Beispiel, um das vielleicht auch noch ein bisschen konkreter zu machen,
00:07:33: Wann sind Sitzungszeiten?
00:07:35: Wie lange gehen Sie?
00:07:36: In welchen Lokalitäten finden Sie statt?
00:07:38: In wirklichen diesen ganz banalen Fragen komme ich da gut hin.
00:07:42: Ist das sicher?
00:07:42: Ist das eine angenehme Umgebung?
00:07:44: Werden Sitzungen endlos überzogen, weil Männer in der Regel mehr Zeit haben als Frauen
00:07:49: und vielleicht auch mehr gefallen daran finden dann noch, es sich ewig lang im Hinterzimmer
00:07:53: darüber auseinanderzusetzen, was jetzt die richtige Strategie ist.
00:07:56: Fehlende Parität drückt sich in den Parlamenten aus.
00:08:00: Die Ursache nochmal liegt aber weiter unten auf Parteiebene.
00:08:04: Eine wichtige Erkenntnis, um dem Problem entgegenzutreten.
00:08:08: Es geht also um die Herstellung der Chancengleichheit von Kandidat*innen und Kandidaten
00:08:13: in den internen Nominierungsverfahren der Parteien.
00:08:18: Das ist wichtig, denn sonst kann unsere Demokratie, wie sie im Grundgesetz vorgesehen ist,
00:08:24: nicht wirklich funktionieren.
00:08:26: Um das Ganze einmal etwas zu veranschaulichen, lohnt ein Blick nach Berlin.
00:08:30: Wegen massiver Unregelmäßigkeiten hatte der Verfassungsgerichtshof die Wahl zum
00:08:35: Berliner Abgeordnetenhaus vom September 2021 für ungültig erklärt,
00:08:40: sodass sie im vergangenen Jahr wiederholt werden musste.
00:08:43: Mit interessanten Ergebnissen.
00:08:45: Berichten kann ich von unserer Studie "Frauen macht Berlin", wo wir insbesondere durch den Vergleich
00:08:50: der Wiederholungswahl im Vergleich zur regulären Wahl 21 sehen, wie entscheidend doch das Wahlrecht ist.
00:08:57: Für diese Frage, ob Frauen in politischen Wachtpositionen ankommen.
00:09:01: Denn, und das ist das Spannende, weil diese Analyse wirklich ausgerechnet der Sieg der CDU
00:09:05: bzw. das verschobene politische Kräfteverhältnis hat dazu geführt,
00:09:09: dass jetzt mehr Frauen im Parlament sind.
00:09:11: Und das hat uns erst mal überrascht und haben gleichzeitig sehr deutlich gesehen,
00:09:14: es liegt unter anderem eben an den Nominierungspraxis der Parteien.
00:09:18: Und der Tatsache, dass eben ein Wahlrecht, wie wir es in Berlin haben, aber auch in anderen Bundesländern
00:09:23: grundsätzlich Frauen oder die Chancen von Frauen erst einmal verringert,
00:09:27: weil insbesondere die wichtigen Wahlkreise vergeben werden an Männer
00:09:30: und insbesondere die weniger aussichtsreichen Posten gerne dann für die Frauen übrig bleiben.
00:09:36: Dadurch, dass die CDU 2023 deutlich mehr Direktmandate gewinnen konnte,
00:09:41: profitierten in der Folge auch die Frauen davon.
00:09:44: So konnten die Christdemokrat*innen ihren Frauenanteil im Abgeordnetenhaus verdoppeln.
00:09:49: Umgekehrt war es bei der SPD.
00:09:52: Vor allem bei den Direktmandaten haben viele Männer ihren Wahlkreis verloren,
00:09:56: aber im Gegenzu konnten dadurch mehr Frauen über die paritätisch besetzte Liste ins Abgeordnetenhaus einziehen.
00:10:02: Quotierte Listen, wie sie SPD, Grüne und Linke bereits haben, sind also ein wirksames Instrument.
00:10:09: Das heißt, weil die Männer ihren Wahlkreis verloren haben, ist insgesamt der Frauenanteil in der SPD-Fraktion gestiegen.
00:10:15: Und wenn man eben diese Zahlen und Entwicklungen sieht, sieht man sehr eindeutig,
00:10:20: dass es ein Ausschlag gibt und dass deswegen auch, weil die Frage war, was kann man tun,
00:10:27: dass man schauen muss, was das Wahlrecht an sich für Weichen stellt in der Zugangsmöglichkeit für Frauen.
00:10:33: Trotz aller Defizite, die anhand dieses Beispiels deutlich werden, einen kleinen Sieg konnten die
00:10:39: Paritätsverfechter*innen im Zuge der Berliner Wiederholungswahl dennoch verzeichnen. Im Koalitionsvertrag
00:10:46: des schwarz-roten Bündnisses ist die paritätische Besetzung als ein Ziel festgehalten.
00:10:51: Es ist dort sozusagen festgehalten, dass die verfassungsgemäße Umsetzung eines Paritätsgesetzes
00:10:57: geprüft werden soll. Aber das allein ist ein Erfolg. Also schwarz-rot hat es sich auf die
00:11:02: Fahnen geschrieben. Man möchte das prüfen und erreichen. Und wir haben eine sozialdemokratische
00:11:08: Gleichstellungs-Szenatur in Chanse Kisitib, die dieses Thema sehr ernst nimmt und ja auch immer
00:11:12: dafür gekämpft hat in den eigenen Reihen und darüber hinaus. Ein Paritätsgesetz könnte also
00:11:17: die Lösung des Problems bedeuten und den Frauen zu ihrem berechtigten Machtanteil verhelfen. Wo
00:11:23: guter Wille nicht reicht, muss eben manchmal eine gesetzliche Regelung her. Das Ziel von
00:11:28: Paritätsgesetzen ist eine helftige oder etwa helftige Besetzung der Parlamente mit Frauen und Männern
00:11:36: herzustellen. Entsprechend dem Anteil der Bürgerinnen und Bürgern am Volk. Denn das Volk ist ja der
00:11:44: Souverän. Also und was finden wir im Volk? 51 Prozent Frauen und 49 Prozent Männer. Dieser
00:11:51: Zustand hat bislang seit 1949, seit es die Bundesrepublik Deutschland gibt, noch nie geherrscht.
00:11:58: Bleibt die Frage, wie genau so ein Gesetz auf Bundesebene aussehen könnte? Da gibt es verschiedene
00:12:04: Ansätze. Auf jeden Fall wurde auch ein Vorschlag gemacht, okay, wenn jetzt soll keine Überhangmandate
00:12:10: mehr geben, sondern es werden nur so viele Direktmandate zugeteilt, wie durch das Zweitstimmen
00:12:15: Ergebnis gedeckt sind. Also jetzt mal ganz in Kürze. Und da hätte man, das sagen einige
00:12:20: Rechtswissenschaftlerinnen, durchaus auch Paritätsregelungen einfädeln können. Also in dem
00:12:25: Sinne, dass man sagt, okay, das sind die Direktmandate, da ist das Zweitstimmen Ergebnisse. Und wenn
00:12:30: jetzt bei den Direktmandaten sehr viele Männer zum Beispiel vorne sind, dann könnte man über die
00:12:34: Liste eben entsprechend Frauen auffüllen bis Parität erreicht ist. Ein weiterer Vorschlag
00:12:39: stammt von Elke Ferner, Vorstandsmitglied des Deutschen Frauenrates und Silke Laskowski. Dieser
00:12:45: verzichtet darauf, anders als die bisherigen Regelungen, die Parteien im Vorfeld dazu zu
00:12:50: verpflichten, in einer ganz bestimmten Weise zu nominieren. Unser Vorschlag, der heftet sich an
00:12:57: die neue Regelung, die ja schon in Kraft getreten ist, § 6 des Bundeswahlgesetzes, also die
00:13:04: zweitstimmgebundene Mandatszuteilung, die dort zu finden ist. Wir empfehlen eine paritätsgebundene
00:13:13: Mandatszuteilung. Das heißt, alle zweitstimmgebundenen Mandate werden paritätisch zugeteilt und zwar
00:13:23: immer abwechselnd Mann, Frau oder Frau Mann, so dass die paritätische Mandatszuteilung dann
00:13:30: aufhört, wenn nicht mehr genügend Frauen oder Männer zu finden sind. Und was wir nicht vergessen
00:13:37: dürfen, nicht jede Person ordnet sich einem eindeutigen Geschlecht wie Mann oder Frau zu. In der
00:13:43: Umsetzung eines Paritätsgesetzes muss daher unbedingt Vielfalt mitgedacht werden, so auch die
00:13:49: Rechte von diversen Personen. Dafür gibt es bereits mehrere Vorschläge, zum Beispiel, dass diverse
00:13:55: Personen sich entscheiden, ob sie auf der Frauen- oder der Männerliste kandidieren wollen. Um diese
00:14:01: Zuordnung zu einem Geschlecht zu umgehen, gäbe es aber auch die Möglichkeit, dass nach der diversen
00:14:06: Person eine Frau kandidieren soll, wenn auf dem Listenplatz vor der diversen Person ein Mann
00:14:12: steht. Und genauso anders herum. Es soll ein Mann kandidieren, wenn auf dem Listenplatz vor der
00:14:17: diversen Person eine Frau steht, um die gleichberechtigte Aufteilung zu garantieren. Ferner und
00:14:23: Laskowski hatten ihren Vorschlag auch bereits in der Kommission zur Reform des Bundestags
00:14:28: Wahlrechts eingebracht. Allerdings ist das Thema Parität hier am Ende des Tages doch wieder
00:14:34: hinten rübergefallen. Es ist schon schade, dass jetzt in der Wahlrechtskommission das Wahlrecht
00:14:39: musste ja nochmal angepasst werden. Da ist Parität, obwohl das eigentlich ein Auftrag war an die
00:14:44: Regierung durch das Parlament, am Ende doch wieder ausgeklammert worden, weil tatsächlich sich die
00:14:49: drei Koalitionspartner da nicht einig geworden sind. Und wir denken weiterhin, dass man sich
00:14:54: sowohl die Wahlisten anschauen muss und da Vorgaben machen als natürlich auch die Direktmandate.
00:15:00: Die Herstellung von Parität in der Bundesrepublik pausiert also. Dabei zeigt der internationale
00:15:06: Vergleich, dass es durchaus möglich ist, eine gleiche Verteilung von Männern und Frauen herzustellen.
00:15:11: Länder wie zum Beispiel Frankreich, wo bereits ein Paritätsgesetz eingeführt wurde, zeigen,
00:15:17: wie es gehen kann. Frankreich muss man dazu sagen, hat für die Nationalversammlung, also
00:15:22: das Pondant zu unserem Deutschen Bundestag, ein Mehrheitswahlrecht. Und Mehrheitswahlrecht,
00:15:27: das wissen wir, es ist nur eine Stelle, einer gewinnt, begünstigt nicht gerade die Partizipation
00:15:31: von Frauen. Also Frankreich hat einen extrem niedrigen Frauenanteil in den Parlamenten immer
00:15:35: unter 10 Prozent. Und da ist dann nach langen Debatten eben tatsächlich dieses Paritätsgesetz
00:15:41: eingeführt worden. Und heute zeigt es sehr gute Ergebnisse. Vor allem auf kommunaler Ebene haben
00:15:46: wir Anteile von nahezu 50 Prozent, auch in den sogenannten Bezirksregierungen, in den Departements.
00:15:52: Im Nationalparlament haben sie eingeführt, dass bei den Direktkandidatoren der Anteil zwischen
00:15:59: männlichen und weiblichen Kandidaten nicht größer als 2 Prozent sein darf. Die Sanktionen waren
00:16:03: allerdings relativ harmlos, sage ich mal in Anführungsstrichen. Also auch dieses Thema. Gesetze
00:16:09: müssen natürlich wirken. Man darf sie nicht einfach umgehen, es sollen nicht einfach wischi-waschi
00:16:13: soll Regelungen sein. Man braucht doch immer klare Regelungen, dass sich alle daran halten. Und da
00:16:17: hat sich Frankreich weiterentwickelt. Auch Spanien und Belgien haben ein Paritätsgesetz. Und acht
00:16:23: weitere europäische Länder haben Regelungen, nicht unbedingt 50/50, aber immerhin um die 30/40
00:16:29: Prozent, also ganz klare Vorgaben. Schaut man sich außerdem, dass weltweite Ranking der interparlamentarischen
00:16:36: Union an das angibt, wie viel Prozent der Abgeordneten in den globalen Parlamenten weiblich sind,
00:16:43: so stellen wir mit erschrecken fest, Deutschland liegt hier nur auf Platz 45. Auf der europäischen
00:16:50: Ebene können wir erkennen, dass die gleichberechtigte Partizipation von Frauen und Männern zu den
00:16:57: demokratischen Essentials gehört. Das können wir nicht nur erkennen anhand verschiedener Publikation
00:17:04: der Europäischen Kommission, des Europäischen Parlaments oder auch auf der völkerrechtlichen
00:17:09: Ebene, sondern auch an der Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.
00:17:15: Deutschland hat also einiges nachzuholen. Und es sollte uns im Interesse unserer Demokratie
00:17:21: daran gelegen sein, das Thema Parität auch weiter zu verfolgen, um letztlich irgendwann zu einer
00:17:26: gleichberechtigten Teilhabe zu kommen. Ideen gibt es genug, sie müssen nur angegangen werden. Gleichzeitig
00:17:33: muss sich aber auch, das macht Nora Langenbacher deutlich, etwas in unseren Köpfen ändern. In
00:17:39: allererster Linie brauchen wir vor allem Bewusstsein für diesen Missstand. Also ich finde, das muss
00:17:43: man auch betonen, dass es doch gesamtgesellschaftlich finde ich bisher wenig diskutiert oder auch
00:17:49: skandalisiert wird, wie wenig Frauen doch in der Politik bisher macht, auch ausüben, wie wenig
00:17:55: Macht zugleich in Teilen verteilt ist. Und deswegen finde ich es so wichtig, dass wir als Friedrich
00:17:59: Ibbestiftung mit unseren Studien und Aktivitäten natürlich aber auch darüber hinaus sehr viele
00:18:04: Politikerinnen, allen voran aber auch viele Frauenverbände in der Zivilgesellschaft, Wissenschaft,
00:18:09: aber auch Individuen dieses Thema immer wieder auch aufrufen und wir hoffentlich auch in der
00:18:13: gesellschaftlichen Debatte miteinander immer wieder dafür streiten, dass wir das Thema sozusagen
00:18:18: miteinander diskutieren und auch zu erkennen, ja wir brauchen da eigentlich regulierende Schritte,
00:18:23: wir brauchen Instrumente, damit wir eben nicht mehr so wenig Frauen in der Politik haben. Das ist
00:18:28: zum ersten sehr wichtig. Und diese regulierenden Schritte, diese Instrumente müssen dann natürlich
00:18:33: auch verbindlich sein. Dann sind natürlich Parteien, die zentralen Akteure, die dafür zuständig sind,
00:18:39: ob Frauen überhaupt in ihren Reihen zu finden sind und wenn ja welche Rolle und welche Position sie
00:18:44: dort erlangen. Und da müssen wir als Gesellschaft uns schon auch fragen lassen, ob das sozusagen die
00:18:49: Parteien allein entscheiden sollten. Wir sehen es ja sehr deutlich, gerade bei den Parteien,
00:18:53: die keine internen Regelungen haben, da sind eben auch Frauen selten zu sehen. Insofern
00:18:57: spricht das eben auch dafür, dass es doch Verbindlichkeit braucht, um politische Teilhabe
00:19:02: überhaupt zu ermöglichen. Die Frage nach der Parität ist zum einen also eine gesellschaftspolitische
00:19:08: und eine Frage des politischen Willens. Aber auch Teil einer juristischen Debatte,
00:19:13: denn Kritiker*innen entgegnen, wenn wir ein Paritätsgesetz einführen und den Parteien damit
00:19:19: vorschreiben, dass sie gleich viele Frauen wie Männer zu nominieren haben, dann kollidiert dies
00:19:25: mit der Parteienfreiheit aus Artikel 21 und der Wahlfreiheit aus Artikel 38 des Grundgesetzes.
00:19:32: Diese juristische Debatte, die auch dafür gesorgt hat, dass zwei erste Paritätsgesetze in Deutschland,
00:19:37: und zwar in den Bundesländern Brandenburg und Thüringen, wieder gekippt wurden, ist jedoch
00:19:42: noch lange nicht abgeschlossen. Denn bisher gibt es keine Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
00:19:48: zu der grundsätzlichen Frage, ob Paritätsgesetze zulässig sind. Und das erklärt vielleicht
00:19:54: auch, warum es mit der Parität bisher noch nicht geklappt hat. In dieser noch recht
00:19:58: jungen historischen Auseinandersetzung halten sich die Stimmen derjenigen, die ein Paritätsgesetz
00:20:04: für verfassungskonform gestaltbar halten, mit denjenigen, die das nicht für möglich halten,
00:20:09: die Waage. Und damit sind wir auch schon wieder am Ende unserer aktuellen Folge Zukunft gerecht,
00:20:16: dem Podcast der Friedrich Ebert Stiftung. Ich sage vielen Dank fürs Zuhören, wir freuen uns,
00:20:22: wenn Sie den Podcast abonnieren und möchten Ihnen ebenfalls unseren Podcast zukunftgerecht
00:20:27: Talk empfehlen. Sie finden uns auf Spotify, Apple Podcast und allen anderen bekannten Podcast-Plattformen.
00:20:34: (Dynamische Musik)
00:20:36: [Musik]
00:20:38: Ein Ehemalding für allezmo!
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