Housing First – Das Ende der Wohnungslosigkeit? | 22 Zukunft gerecht

Shownotes

Erst eine Wohnung, dann alles andere – warum dieser Ansatz zur Bekämpfung von Wohnungslosigkeit erfolgreich sein könnte, untersuchen wir in diesem Podcast. Viele obdachlose oder wohnungslose Menschen haben mit einer Vielzahl an Problemen zu kämpfen. Bisher war die Vermittlung einer Wohnung an einige Bedingungen geknüpft. Das "Housing First – Zuerst eine Wohnung"-Modell kehrt diese Reihenfolge um. Mit einer festen Bleibe einen Neuanfang zu starten, bietet viele Chancen. Deshalb ist "Housing First", ein in anderen Ländern erfolgreich erprobtes Modell, nun auch Teil des deutschen "Nationalen Aktionsplans gegen Wohnungslosigkeit".

Mit: Brian Nickholz (SPD), Janita-Marja Juvonen (Aktivistin), Prof. Dr. Volker Busch-Geertsema (GISS), Karen Holzinger (Berliner Stadtmission). Moderation: Kerstin Pelster

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00:00:00: (Dynamische Musik)

00:00:01: Irgendwann habe ich gemerkt, ich schaff diese Stufen nicht.

00:00:07: Das ist für mich so hochschwellig, dass ich irgendwann aufgegeben habe.

00:00:11: Andere Leute haben zwischendurch das Problem,

00:00:14: wenn sie vorher schon sehr viel nach Hilfe gefragt haben,

00:00:17: dass sie resignieren und nicht mehr weiter was versuchen.

00:00:20: Weil's ... weil das Leben auf der Straße oder in Wohnungslosigkeit

00:00:24: so kräfteraubend ist, dass man seine Kräfte und Energie

00:00:28: für das gebrauchen muss, um ja, zu überleben.

00:00:31: Wohnungslos in Deutschland.

00:00:33: Janita Juwonen war das 14 Jahre lang.

00:00:36: Immer wieder hat sie versucht, aus der Wohnungslosigkeit herauszukommen.

00:00:40: Immer wieder ist sie gescheitert.

00:00:42: Das Leben auf der Straße zu hart,

00:00:44: die Anforderungen, die sie erfüllen musste,

00:00:46: um eine Wohnung zu bekommen, zu hoch.

00:00:48: Heute lebt Janita in ihren eigenen vier Wänden,

00:00:51: ist Aktivistin, Autorin und unterstützt den Housing First-Ansatz,

00:00:55: um den es in dieser Folge gehen wird.

00:00:57: Und damit hallo zum Podcast "Zukunftgerecht der Friedrich-Ebert-Stiftung".

00:01:01: Ich bin Kerstin Pelster und nehme Sie mit

00:01:03: auf eine spannende Reise durch die Welt der Fragen, Antworten

00:01:07: und Vorschläge zu vielen Themenbereichen unserer Zukunft.

00:01:10: Laut Statistischem Bundesamt sind im vergangenen Jahr

00:01:13: etwa 372.000 Menschen in Deutschland wohnungslos gewesen.

00:01:17: 372.000 Menschen, die in Unterkünften der Wohnungsnotfallhilfe leben,

00:01:22: in Behälfsunterkünften oder auf der Straße.

00:01:25: Tag aus, Tag ein, bei Wind und Wetter,

00:01:28: ob bei 35 Grad Hitze oder bei Minusgraden im Winter.

00:01:32: 372.000 Menschen ohne eigenen Schutzraum und ohne Rückzugsort.

00:01:38: Auch eine Notschlafstelle kann das nicht erfüllen.

00:01:41: Ein eigenes, sicheren Raum, wo ich zur Ruhe kommen kann.

00:01:44: Eine Wohnung ist für mich und auch, ich kenne ja immer noch,

00:01:47: viele Menschen, die auf der Straße leben und wohnungslos sind.

00:01:51: Und für viele andere ist es das A und O.

00:01:53: Eine Wohnung ist eben auch das, wo man einen Neuanfang starten kann.

00:01:57: Deswegen finde ich gut, dass in Deutschland auch in Deutschland angekommen ist.

00:02:01: Indem die Bundesregierung 2021

00:02:04: die Lissabonner Declaration on the European Platform

00:02:07: on Combating Homelessness der Europäischen Union unterzeichnet hat,

00:02:11: hat sie das Problem Wohnungslosigkeit nicht nur erkannt,

00:02:14: sondern sich mit dem eigenen nationalen Aktionsplan

00:02:17: gegen Wohnungslosigkeit auch dafür ausgesprochen,

00:02:20: Wohnungslosigkeit zu reduzieren.

00:02:23: Ein Ansatz, der dabei helfen könnte, ist Housing First.

00:02:26: Housing First ist ein ganz spezifischer Ansatz

00:02:28: für eine spezifische Zielgruppe,

00:02:30: nämlich für Wohnungslose mit komplexen Problemlagen,

00:02:34: der sehr stark auf deren persönliche Referenz eingeht

00:02:39: und nicht verbunden ist mit Zugangshürden,

00:02:43: wie wir sie häufig noch finden.

00:02:45: Wenn Wohnungslose in Wohnraum integriert werden sollen,

00:02:48: dass sie erst mal absehend leben sollen,

00:02:51: dass sie psychische Erkrankungen bearbeitet haben sollen, etc.,

00:02:55: sondern es geht stark davon aus, dass es ein Recht auf Wohnen gibt,

00:02:59: das möglichst unmittelbar umgesetzt wird

00:03:02: und dann aber mit einem intensiven und zugegebenen Hilfeangebot verbunden ist,

00:03:09: das bestimmten Prinzipien auch erfolgt.

00:03:12: Das Konzept Housing First kommt ursprünglich aus den USA

00:03:16: und ist in den vergangenen Jahren auch in vielen europäischen Ländern

00:03:19: getestet worden, in Großbritannien zum Beispiel,

00:03:22: in den Niederlanden, in Dänemark, Portugal und Finnland.

00:03:25: Und auch in einigen deutschen Städten gab und gibt es Housing First-Projekte.

00:03:30: Der Soziologe Volker Buschgerd-Sehmer

00:03:32: hat viele von ihnen wissenschaftlich evaluiert.

00:03:35: Ganz besonders erfolgreich zeigt sich Finnland.

00:03:38: Seit 2008 setzt die finnische Regierung auf Housing First

00:03:41: und konnte die Zahl der Wohnungslosen seitdem halbieren.

00:03:45: Bis 2027 will Finnland zumindest die langfristige Obtachte

00:03:49: der Nachlosigkeit komplett abschaffen.

00:03:52: In der Hauptstadt hält Sinki sogar schon im kommenden Jahr.

00:03:55: Was Finnland sehr spezifisch ist, dass sie von Anfang an erkannt haben,

00:03:59: die Bedeutung von einem Vorrang bei der Versorgung von Wohnraum

00:04:03: und bei der Zurverfügungstellung von Wohnraum-Dienekt für die Wohnungslosen.

00:04:07: Die haben ja zum Teil auch Unterkünfte umgewandelt

00:04:10: dann im regulären Wohnraum.

00:04:12: Und das war in Finnland im Gegensatz zu vielen anderen Ländern,

00:04:16: in denen Housing First auch ein Bestandteil

00:04:19: und eine Strategie ist aber sehr zielführend,

00:04:22: dass dafür gesorgt worden ist,

00:04:24: dass nicht nur die Sozialarbeit sich anders orientiert,

00:04:27: sondern dass auch der Zugang zu Wohnraum erleichtert wird.

00:04:30: Und in Finnland gibt es einen Konsens,

00:04:33: dass Wohnungslosigkeit in so einem reichen Land

00:04:35: als Skandal empfunden wird

00:04:37: und dass es einen Konsens gibt,

00:04:39: Wohnungslosigkeit überwinden zu wollen, über alle Parteien hinweg.

00:04:43: Die Bemühungen der finnischen Regierung Obdachlosigkeit zu bekämpfen

00:04:47: reichen bis in die 80er-Jahre-Zorg.

00:04:49: Damals hatten mehrere extrem kalte Winter hintereinander

00:04:53: den Tod viele Obdachloser gefordert.

00:04:55: Das löste eine gesellschaftliche Debatte aus, an deren Ende,

00:04:58: der parteiübergreifende Entschlussstand,

00:05:01: Wohnen ist ein Grundrecht.

00:05:03: Und in Deutschland?

00:05:04: In Deutschland steckt Housing First noch in den Kinderschuhen.

00:05:08: Die Vermittlung einer eigenen Wohnung mit einem eigenen Mietvertrag

00:05:11: an den Anfang des Hilfeprozesses zu setzen

00:05:14: und das Angebot an keine weiteren Bedingungen zu knüpfen,

00:05:17: ein grundlegend neuer Ansatz.

00:05:19: Und das Housing First finde ich schon sehr radikal,

00:05:22: weil wir sagen, es gibt so was wie Wohnunfähigkeit nicht.

00:05:26: Sondern jeder Mensch braucht diesen sicheren Raum

00:05:29: und was dann möglich ist an Entwicklung

00:05:31: und Verbesserung der Gesamtsituation, muss sich zeigen.

00:05:34: Aber erst mal steht die Wohnung.

00:05:36: Und das ist, glaube ich, eine Haltung,

00:05:38: die wir noch nicht als Gesellschaft wirklich verinnerlicht haben

00:05:41: und die natürlich auch große Probleme hervorrufen würden,

00:05:45: weil dann wir natürlich davorstehen,

00:05:47: dass wir dieses Grundrecht sehr, sehr vielen Menschen,

00:05:50: auch rein quantitativ, gerade gar nicht, gewähren können.

00:05:54: In Modellversuchen wurde und wird Housing First

00:05:57: aber schon in verschiedenen deutschen Städten getestet.

00:05:59: Und die Ergebnisse, die zum Beispiel mit Housing First Berlin erreicht wurden,

00:06:03: sind durchaus Erfolgversprechend, sagt die Bereichsleiterin

00:06:06: der wohnungslosen Hilfen der Berliner Stadtmission Karen Holzinger.

00:06:10: Auch und gerade weil damit eine Zielgruppe erreicht werden kann,

00:06:14: die das bisherige Hilfenetz der wohnungslosen Hilfe nicht aufhängt.

00:06:18: Menschen mit schweren Suchterkrankungen

00:06:20: oder psychischen Erkrankungen.

00:06:22: Wir hatten, ich glaube, in der Modellphase

00:06:25: einen Abbruch von jemandem,

00:06:28: dem wir zwei verschiedene Wohnungen angeboten haben.

00:06:31: Und er bei beiden das Gefühl hatte,

00:06:34: dass diese Wohnung oder das Leben in der Wohnung für ihn zu anstrengend ist.

00:06:38: Und der ist dann wieder zurück auf die Straße gegangen.

00:06:41: Aber alle anderen sind stabil in ihrer Wohnung geblieben.

00:06:46: Also stabil ist immer relativ.

00:06:47: Heißt mit allen Problemen, die die Menschen mitgebracht haben.

00:06:51: Aber die Idee von Housing First ist ja auch,

00:06:53: dass das Ziel erreicht ist, wenn die Wohnung erhalten bleibt.

00:06:56: Menschen in Wohnungen bringen.

00:06:58: Aus Notunterkünften heraus von der Straße weg.

00:07:01: Und das am besten so schnell wie möglich.

00:07:03: Das hat sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt.

00:07:06: Sie will Obdach und Wohnungslosigkeit in Deutschland

00:07:08: bis 2030 überwinden.

00:07:10: Dazu hat sie im Jahr 2024 in einem ersten Schritt

00:07:14: den nationalen Aktionsplan auf den Weg gebracht.

00:07:17: Wir müssen erst mal feststellen,

00:07:18: dass die Zahlen eine andere Richtung aufweisen,

00:07:21: als die, die wir uns wünschen.

00:07:23: Wir gehen von mehr wohnungslosen Menschen aus.

00:07:25: Weil wir aber auch genauer hinschauen

00:07:27: mit der bundesweiten Statistik.

00:07:29: Auch die Dunkelziffer stärker beleuchten als bisher.

00:07:32: Mit den nationalen Aktionspladen

00:07:34: schaffen wir eine Grundlage,

00:07:36: um auf das Ziel 2030 hinzuarbeiten.

00:07:38: Für den ersten nationalen Aktionsplan gegen Wohnungslosigkeit

00:07:42: hat die Politik eng mit den Akteuren der wohnungslosen Hilfe

00:07:45: zusammengearbeitet.

00:07:46: Aber auch mit Aktiven der Wohnungswirtschaft,

00:07:48: der Länder und Kommunen,

00:07:50: sagt der SPD-Bundestagsabgeordnete Brian Nichols.

00:07:53: Abgebildet im Plan sind unter anderem Kernaussagen

00:07:56: über grundlegende Ziele, Werte und Erfolgskriterien.

00:07:59: Und es werden auch Ansätze, wie zum Beispiel Housing First, betrachtet.

00:08:04: Also, wir glauben, dass der Ansatz Housing First

00:08:07: ein ganz wichtiger ist, ein zentrales Element einnehmen muss,

00:08:09: um die Wohnungslosigkeit zu überwinden.

00:08:11: Allerdings ist das nicht der einzige Ansatz,

00:08:14: den wir verfolgen müssen.

00:08:16: Also, ich glaube, der Grundsatz zu sagen,

00:08:18: es fängt mit der Wohnung an,

00:08:20: es hört aber nicht mit der Wohnung auf, ist unheimlich wichtig.

00:08:23: Und der Vorteil, das nicht an Bedingungen vorher zu knüpfen,

00:08:27: ist, glaube ich, noch mal enorm wichtig.

00:08:30: Janita Yewohnen hätte sich für sich selbst

00:08:32: ein niedrig-schwelliges Angebot wie Housing First gewünscht.

00:08:35: 14 Jahre lang war sie wohnungslos, teils obdachlos,

00:08:38: lebte auf der Straße und wurde dort heroinabhängig.

00:08:41: Also, ich bin als Jugendlicher auf die Straße gekommen

00:08:45: und habe durch Vitamin B eine Wohnung gefunden.

00:08:49: Also, das heißt, ich habe einfach einen Passanten kennengelernt,

00:08:53: der dann über seinen Bruder eine Wohnung mir geben konnte.

00:08:57: Allerdings ist der Haken bei dieser Sache meistens,

00:09:00: dass sie natürlich Bescheid wissen,

00:09:02: um die prekäre Lebenssituation und das sehr ausnutzen.

00:09:05: Ich habe eine Wohnung, wo die Wand runterkam,

00:09:07: wo Schimmel drin war und wo ich nicht drin gewohnt habe,

00:09:11: weil es nicht wohnfähig war.

00:09:13: Seit zwölf Jahren hat Janita Yewohnen ein Zuhause,

00:09:16: nach mehreren Anläufen und vielen Rückschlägen.

00:09:19: Das Thema Obdachlosigkeit aber lässt sie nicht los.

00:09:22: Um dem Thema ein Gesicht zu geben, bietet sie Stadtführungen an

00:09:25: und geht in Schulen, kommt in Austausch, erzählt ihren Weg

00:09:29: und gibt damit all denjenigen eine Stimme,

00:09:31: die es noch nicht, wie sie aus der Wohnungslosigkeit herausgeschafft haben.

00:09:35: Für Karen Holzinger ist es kein Wunder,

00:09:37: dass so viele Betroffene trotz der bestehenden Hilferangebote scheitern.

00:09:41: Das ist schon normalerweise ein längerer Weg bis dorthin.

00:09:46: Also es passieren viele verschiedene Stationen,

00:09:48: wo manche Menschen schon nicht mehr mit zurechtkommen.

00:09:52: Also ein Beispiel ist, zunächst wird man normalerweise,

00:09:54: wenn man auf der Straße lebt und sagt,

00:09:57: will das nicht mehr, kommt man in ein Wohnheim, das sind oft Doppelzimmer oder sogar noch mehr

00:10:03: Bettzimmer und das ist ziemlicher Stress dort mit anderen, die man nicht kennt, die auch ihre Probleme

00:10:08: haben zusammen zu leben. Also da gibt es dann schon die ersten, die sagen, nee, dann doch lieber wieder

00:10:13: Straße und auch in dem Hilfesystem, was im Sozialgesetzbuch vorgesehen ist, muss man sehr gut

00:10:19: mitarbeiten. Also man muss regelmäßig kommen, man hat bestimmte Aufgaben, also das setzt sehr

00:10:24: auf eine eigene Verantwortung auch an der Situation, was ändern zu wollen und zu können und wir haben es

00:10:30: mit Menschen zu tun, die wollen zwar, aber es klappt dann immer nicht, weil irgendwas dazwischen kommt.

00:10:36: Bei Janita Juwonen war das sehr lange Zeit ihrer Drogenabhängigkeit. Eine der Bedingungen, um

00:10:42: eine Wohnung heranzukommen, hieß für sie "klin werden". Ich sollte von Heroin an giften,

00:10:47: ich bin auf der Straße drogenabhängig geworden und das hieß, ich musste jeden Tag über Wochen bis

00:10:53: Monate bei einer Klinik anrufen und wenn ich das nicht gemacht habe, bin ich von der Wartelis

00:10:59: so runtergeflogen. Wie man sich vielleicht denken kann, unter einer Brücke gibt es keinen Telefonanschluss,

00:11:03: das ist also immer wieder gekippt, dass ich das nicht wirklich geschafft habe. Dadurch, dass bei

00:11:09: Housing First die Wohnung an den Anfang gesetzt wird und die Auflagen als Voraussetzung für eine

00:11:13: Wohnung entfallen, wird ein ganz anderer Rahmen gesetzt. Das heißt nicht, dass begleitende Hilfestellungen

00:11:19: wegfallen, ganz im Gegenteil. Zusätzliche ergänzende wohnbegleitende Angebote sollen die Betroffenen

00:11:24: bei der Neuorientierung unterstützen, erklärt Karen Holzinger. Der entscheidende Systemwechsel

00:11:30: zu Housing First ist, dass wir tatsächlich nur mit den Menschen arbeiten können auf freiwilliger

00:11:36: Basis und das herkömmliche Hilfesystem, ob man will oder nicht, hat eine große Machtungleichheit,

00:11:42: weil die Sozialarbeitenden sind diejenigen, die erstmal festlegen, wo es der Hilfe bedarf,

00:11:47: also das ganze System ist sehr defizit orientiert und dann ist es das Amt und die Sozialarbeitenden,

00:11:53: die da ganz viel mitreden, dass zuerst das Suchtproblem bearbeitet werden muss. Und das ist

00:12:00: bei Housing First ja radikal anders, weil der Mietvertrag ist unterschrieben. Die Person könnte

00:12:05: theoretisch sagen am nächsten Tag, danke das war es, ich will euch nicht mehr sehen. Wie die bisher

00:12:11: vorliegenden Evaluationsergebnisse der bereits ungesetzten Housing First Projekte zeigen,

00:12:16: ist dies aber nicht der Fall. Im Gegenteil, der akzeptierende, personenzentrierte Ansatz von

00:12:21: Housing First kommt gut an und hat in vielerlei Hinsicht dafür gesorgt, die Lebenssituation

00:12:26: der Betroffenen zu verbessern, resumiert Volker Buschgerd-Sema. Sie haben alle eigentlich

00:12:31: belegt, dass trotz der durchaus erheblichen und komplexen Problemlagen es immer erreicht worden

00:12:40: ist ein sehr hohen Anteil von Wohnungserhalt, also meistens deutlich über 80 Prozent, die ihren

00:12:46: Wohnraum erhalten haben. Eine hohe Zufriedenheit bei den Klientinnen und Klienten mit dem Ansatz

00:12:52: und damit, dass ihre individuellen Lebensentwürfe wirklich ernst genommen werden. In den meisten

00:12:58: Fällen geht das Konzept Housing First auf. Es gibt aber auch Fälle, wo Housing First an Grenzen

00:13:04: stößt. Es gibt auch Menschen, die den Wohnraum nicht erhalten konnten, ganz häufig hat das was

00:13:09: zu tun mit stark ausgeprägten Psychosen und Dingen, die bei Housing First nicht bewältigt

00:13:15: werden können und wo es dann ein enger begleitetes Setting braucht. Da geht es eher um die Frage,

00:13:21: wie sind die Quantitäten sozusagen und im gesamten wohnungslosen Hilfesystem ganz viele

00:13:27: von der Zielgruppe ist mit Housing First sehr gut gedient. Damit Housing First aber überhaupt

00:13:33: funktionieren kann, braucht es zunächst natürlich genügend Wohnraum. Die Lage auf dem deutschen

00:13:38: Wohnungsmarkt ist seit Jahren angespannt. In vielen Städten und Gemeinden klagen die Menschen über

00:13:43: zu wenig bezahlbare Wohnungen. Die Mieten sind in den vergangenen Jahren fämlich explodiert. Sozialgebundener

00:13:49: Wohnraum nimmt immer mehr ab, Neubauwohnungen werden zunehmend teurer. Darüber hinaus kommen

00:13:54: seit Jahren Geflüchtete aus allen Teilen der Welt zu uns, um in Deutschland Schutz zu suchen. Das

00:13:59: alles, so sagt Janita Jo Wohnen, macht die Umsetzung von Housing First nicht einfacher. Wenn aber die

00:14:05: Wohnungen nicht zur Verfügung stehen, wenn die Wohnungen nicht da sind, ist es schwierig,

00:14:09: das Housing First auch wirklich umzusetzen und ganz viele wissen auch noch nicht, wie man seine

00:14:15: Wohnungen eben hat da anbieten kann. Das zum Beispiel bei Immobilien Scout 24 kann man einen

00:14:20: grünen Hacken machen, man wird angezeigt, dass diese Wohnung auch für Housing First zur Verfügung

00:14:23: steht und das ist in der Bevölkerung noch nicht so angekommen. Der Erfolg von Housing First hängt

00:14:29: aber maßgeblich davon ab, ob ausreichend Wohnraum gefunden und zur Verfügung gestellt werden kann.

00:14:34: Besonders schwierig gestaltet sich das in Metropolen wie Berlin, Hamburg, München und Köln,

00:14:40: sagt Sozialdemokrat Brian Nickholz. Da braucht es halt auch ein öffentliches Engagement und da

00:14:46: müssen wir zum Beispiel die Mitteln des sozialen Wohnungsbaus das stärker fördern, dass wir sagen,

00:14:51: ein Anteil davon muss auch für Housing First Projekte aufgewandelt werden. Ein Hinweis darauf,

00:14:56: wie es zukünftig auch flächendeckend für Deutschland klappen könnte, lässt sich möglicherweise

00:15:00: aus den Berliner Housing First Modellprojekten ableiten. Hier hat das Bereitstellen von Wohnraum

00:15:06: nämlich außerordentlich gut funktioniert. Besonders überraschend für alle war, dass wir

00:15:11: auch Wohnungen gefunden haben. Das war am Anfang immer so die Frage ja schön tolle Idee, aber wie

00:15:16: wollte das machen ohne Wohnungen und ein besonderer Deal ist, dass wir einen eigenen Mitarbeiter für

00:15:21: die Wohnungsakquise im Projekt haben, der auch finanziert wird und das hat sehr gut geklappt.

00:15:27: Darüber hinaus müssen um diese Herkulesaufgabe zu meistern alle Beteiligten an einem Strang

00:15:32: ziehen. Bund, Länder, Kommunen, die öffentliche und private Wohnungswirtschaft sowie private

00:15:37: Vermieterinnen und Vermieter. Um das Ziel Wohnungslosigkeit bis 2030 zu überwinden, sind aber auch noch

00:15:43: viele weitere Schritte nötig, sagt der SPD Bundestagsabgeordnete Brian Nickholz. Wir müssen

00:15:48: vor allem auch Veränderungen im Mietrecht vollziehen, damit man überhaupt erst nicht die

00:15:52: Wohnung mehr verliert. Wir müssen auch über diejenigen sprechen, die als Straftäter verurteilt sind

00:15:58: und eine Freiheitstaff verbüßen, dass sie aber ihre Wohnung in der Zwischenzeit nicht verlieren. Dafür

00:16:03: haben wir Instrumente, die werden in der Regel nicht genutzt. Also mit anderen Worten, es ist

00:16:08: schaffbar, aber es ist eine ganze Menge mehr zu tun als das, was wir jetzt aktuell tun. Und ich

00:16:13: hoffe, dass der nationale Aktionsplan nochmal ein Impuls sein kann, dass wir auf allen staatlichen

00:16:17: Ebenen jetzt mehr Schub bekommen, aber auch von der Öffentlichkeit mehr gefordert werden, das zu

00:16:22: tun. Als ehemalige Wohnungslose begrüßt Janita Jovonen das Engagement der Bundesregierung. Sie

00:16:28: wünscht sich alles in allem, aber noch etwas mehr Beteiligung. Um wirklich gangbare Lösungswege

00:16:33: aus der Wohnungslosigkeit zu finden, bittet sie die Politik in Zukunft. Nicht über die betroffenen

00:16:39: Reden, sondern mit ihnen reden. Also Projekte und Programme auch mit zusammen konzipieren, weil ich

00:16:45: immer wieder gemerkt habe, Menschen, die immer eine Wohnung haben, die versuchen viele gute

00:16:51: Dinge, aber die Lebensrealität, Straße oder Wohnungslosigkeit, die kann man nicht erfassen,

00:16:56: wenn man da drin nicht gelebt hat. Den Housing First-Ansatz unterstützt sie gern. Allerdings

00:17:00: würde sie es bevorzugen, noch einen Schritt vorher anzusetzen, sprich, Wohnungslosigkeit von

00:17:06: vorneherein zu vermeiden. Also präventiv dagegen zu arbeiten, weil egal ob man 14 Jahre oder ein

00:17:11: Tag wohnungslos ist, es ist einfach eine ganz schlimme Erfahrung, diesen Kontrollverlust zu

00:17:18: erleben. Das Housing First ein erfolgsversprechendes Konzept zur Bekämpfung von Wohnungslosigkeit

00:17:23: sein kann, hat Soziologe Volker Buschgerzema vielfach ausgewertet. Ziel muss es seiner Ansicht

00:17:29: nun sein, die bislang zeitlich befristeten Projekte zu verstetigen und in Regelangebote zu

00:17:35: überführen mit einer abgesicherten Regelfinanzierung. Housing First ist sicher kein Allheilmittel,

00:17:40: es wird auch andere Ansätze brauchen, insbesondere im präventiven Bereich brauchen wir mehr

00:17:47: Unterstützung, mehr Fachstellen, mehr gesetzliche Regelungen, die die Prävention erleichtern,

00:17:53: die Informationen über bedrohte Wohnverhältnisse erleichtern etc. Also es gibt da relativ viel

00:17:57: zu tun, aber Housing First ist schon auch ein wichtiges Element. Das sieht die Bereitsleiterin der

00:18:02: Wohnungslosenhilfe der Berliner Stadtmission Karen Holzinger ähnlich. Housing First sollte

00:18:07: ihrer Meinung nach ein ernstzunehmendes Modul sein, um eine Personengruppe zu erreichen,

00:18:12: die soweit sie das beurteilen kann, bislang nur unzureichend erreicht werden konnte.

00:18:16: Wenn wir Housing First verstärkt umsetzen wollen, wird das Geld kosten, allein schon

00:18:21: dadurch, dass wir Leute erreichen, die bisher schön sozusagen vor sich hin auf der Straße

00:18:25: verählenden und wir müssen uns dann um die auch kümmern. Aber wenn wir den nationalen

00:18:31: Aktionsplan und das Ziel Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit abzuschaffen ernst nehmen,

00:18:35: führt meiner Meinung nach kein Weg an Housing First vorbei.

00:18:39: Eine Wohnung für jeden. Bis zum Jahr 2030 soll das in Deutschland Realität werden.

00:18:44: Helfen kann dabei der in vielen Ländern erfolgreich erprobte Housing First Ansatz. Housing First

00:18:50: ist dabei nicht leicht zu setzen mit Housing Only. Die Wohnung steht zwar am Anfang des

00:18:55: Hilfeprozesses, wohnbegleitende und bedarfsgerechte Hilfen ergänzen aber das Angebot und machen

00:19:01: es den Betroffenen leichter sich in ihrem neuen Zuhause zu orientieren und einzugewöhnen.

00:19:06: Wohnungslosigkeit zu bekämpfen ist, wie wir am Beispiel Finnland gehört haben, also möglich.

00:19:12: Der nationale Aktionsplan der Bundesregierung sieht vor, den sozialen Wohnungsbau voranzutreiben

00:19:18: sowie eine Bundeskompetenzstelle einzurichten. Diese wird die Vernetzung der Akteure begleiten

00:19:23: und weitere Vorhaben zur Bekämpfung von Wohnungslosigkeit fördern. Und damit sind wir auch schon wieder

00:19:29: am Ende unserer aktuellen Folge "Zukunft gerecht" dem Podcast der Friedrich-Ebert-Stiftung.

00:19:35: Ich sage vielen Dank fürs Zuhören, wir freuen uns, wenn Sie unseren Podcast abonnieren und

00:19:40: möchten Ihnen auch unseren Podcast "Zukunft gerecht" Talk empfehlen.

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