Warum ausländische Fachkräfte Deutschland wieder verlassen | 26 Zukunft gerecht

Shownotes

Deutschland ist auf die Zuwanderung von Arbeitskräften angewiesen. Zwischen 2015 und 2022 sind fast 12 Millionen Menschen nach Deutschland migriert, doch mehr als 7 Millionen von ihnen sind auch wieder abgewandert. Die Studie „Willkommen zurück?“ erforscht, warum Menschen, die zugewandert sind und mehrere Jahre hier gelebt haben, Deutschland wieder verlassen. Es zeigt sich, dass vor allem eine fehlende soziale Integration zu den Hauptgründen zählt. Die Integration auf dem Arbeitsmarkt allein ist nicht ausreichend. Was muss sich ändern, damit ausländische Fachkräfte bleiben bzw. die Rückkehr nach Deutschland in Betracht ziehen?

Mit: Hakan Demir (SPD), Franziska Loschert (Minor), Marcos Pangestu (Willkommenslotse). Moderation: Katharina Schohl

Zur Studie "Willkommen zurück?"

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00:00:00: Sei es das Restaurant von nebenan, der Handwerksbetrieb aus dem Nachbarort, die Pflegeeinrichtung

00:00:09: oder der IT-Dienstleister ums Eck.

00:00:11: Es gibt mittlerweile kaum noch eine Branche, die nicht ohne Mitarbeiter aus dem Ausland

00:00:16: auskommt.

00:00:17: In Deutschland herrscht Fachkräftemangel.

00:00:19: Und das ausgerechnet in einer Zeit, in der die deutsche Wirtschaft in einer tiefen Krise

00:00:24: steckt und umso mehr auf gut funktionierende Umsatzstarke Unternehmen angewiesen ist.

00:00:29: Deshalb wird mithilfe des Fachkräfte-Einwanderungsgesetzes versucht, ausländische Arbeitnehmer*innen

00:00:35: anzuwerben.

00:00:36: Das Problem?

00:00:37: Viele dieser ausländischen Fachkräfte, die einmal zu uns gekommen sind, die wollen

00:00:41: nicht hier bleiben und kehren Deutschland früher oder später wieder den Rücken.

00:00:45: Warum das so ist?

00:00:46: Darüber sprechen wir heute in unserem Podcast "Zukunft gerecht" der Friedrich-Ebert-Stiftung.

00:00:51: Ich bin Katharina Schohl und nehme Sie mit auf eine spannende Reise, durch die Welter

00:00:56: Fragen, Antworten und Vorschläge zu vielen Themenbereichen unserer Zukunft.

00:01:00: Wir brauchen in den nächsten Jahren Menschen, die nach Deutschland kommen und hier arbeiten,

00:01:04: weil wir es selbst aus verschiedenen Gründen, vor allem aufgrund des demografischen Wandels,

00:01:09: alleine nicht mehr hinbekommen.

00:01:11: Es ist also keine Frage des "wollens", sondern des "müßens".

00:01:14: Wir müssen ausländische Arbeits- und Fachkräfte anwerben, wenn wir unseren Status quo halten

00:01:20: und zukunftsfähig bleiben wollen, sagt Haka Andemia, Mitglied der SPD-Fraktion im Bundestag.

00:01:26: Unsere Gesellschaft wird immer älter.

00:01:28: Und es gibt immer weniger junge deutschen Menschen, die das auffangen können.

00:01:32: Also müssen es die qualifizierten Mitarbeitenden aus dem Ausland richten.

00:01:36: Bis zu einem gewissen Punkt geht diese Rechnung auch auf, bis, ja bis diese Fachkräfte merken,

00:01:42: dass es hier in Deutschland irgendwie doch nicht so toll ist, sie ihre Sachen packen und

00:01:46: wieder gehen.

00:01:47: Und das sind nicht wenige.

00:01:49: Zwischen 2015 und 2022 wanderten beispielsweise mehr als 12 Millionen Menschen nach Deutschland

00:01:54: ein.

00:01:55: Über 7 Millionen Menschen wanderten aber auch wieder aus.

00:01:58: Warum sie das tun?

00:01:59: Das hat bisher keiner so richtig erforscht und genau deshalb hat sich die Friedrich-Ebert-Stiftung

00:02:04: mit diesem Thema beschäftigt.

00:02:06: In der Studie "Welkommen zurück, Abwanderungsgründe und Rückwanderungspotenziale von aus Deutschland

00:02:12: abgewanderten EU und Drittstaat" angehörigen.

00:02:15: Für diese Studie haben Co-Autorin Franziska Loschardt und ihre Kolleg*innen 416 Personen

00:02:21: hauptsächlich hochqualifizierte Fachkräfte, die in Deutschland gelebt haben, online gefragt,

00:02:26: wie das Leben hier für sie war und wie es jetzt ist.

00:02:29: Die Personen, die wir erreicht haben, waren sehr lange in Deutschland, die haben es lange

00:02:32: probiert hier anzukommen, haben sich dann doch entschieden zu gehen.

00:02:35: Interessant ist daran, dass die Personen nach der Abwanderung aus Deutschland deutlich

00:02:41: zufriedener mit ihrem Sozialleben waren als zuvor in Deutschland und zwar unabhängig

00:02:45: davon, ob sie in ihr Herkunftsland zurückgegangen sind oder in ein anderes Land weitergewandert

00:02:50: sind, also irgendwo von vorne angefangen haben.

00:02:52: Da läuft in anderen Ländern irgendetwas besser als bei uns.

00:02:55: Fragt man die Personen, die in einem neues Land abgewandert sind danach, was für das

00:02:59: neue Zieland gesprochen hat, also warum haben sie sich für dieses neue Zieland entschieden,

00:03:04: dann sagen die meisten auch, dass sie sich dort eben willkommen fühlen, also sie haben

00:03:08: so ein besseres Willkommensgefühl, als sie vielleicht zuvor in Deutschland hatten.

00:03:12: Und wer sich nicht wohl fühlt, der geht wieder.

00:03:14: Das soziale Umfeld entscheidet maßgeblich darüber, wie wir empfinden und uns verhalten.

00:03:19: Wer gut integriert ist, sich ein soziales Netz geschaffen hat, der denkt logischerweise

00:03:24: weniger darüber nach, seine Zelte abzubrechen und Deutschland wieder zu verlassen.

00:03:28: Allerdings scheint das nicht der Lebenswirklichkeit vieler eingewandtert zu entsprechen.

00:03:32: 41 Prozent der in der Studie befragten geben nämlich an, dass es ihnen sehr schwer gefallen

00:03:37: ist, Anschluss zu finden und Freundschaften aufzubauen, vor allem zu deutschsprachigen

00:03:42: Personen.

00:03:43: Was viele dann zusätzlich noch belastet, ist die räumliche Distanz zu ihrer Familie

00:03:46: und ihren Freundinnen im Herkunftsland, was natürlich dann insbesondere schwer wiegt,

00:03:50: wenn man auch in Deutschland Probleme hat, Kontakte aufzubauen.

00:03:54: Andere Herausforderungen waren die Wohnungssuche in Deutschland oder bei Personen, die mit Kindern

00:03:59: gekommen sind, die Integration der Kinder in die Schule oder die Kita.

00:04:02: Das sind natürlich Herausforderungen, die nicht zugewanderte Personen auch kennen, aber

00:04:06: es ist für zugewandene natürlich dann meistens noch mal schwerer, insbesondere auch dann

00:04:10: wieder, wenn soziale Netzwerke hier in Deutschland fehlen.

00:04:13: Niemanden zu haben, mit dem man sich mal austauschen und die Sorgen teilen kann, aber

00:04:18: auch Spaß haben und lachen kann, das ist hart und klar überlegt man da, ob man woanders

00:04:23: nicht vielleicht doch besser aufgehoben wäre, auch wenn es dort was Arbeitsschule, soziale

00:04:28: Absicherung angeht, vielleicht nicht ganz so gut aussieht wie hier.

00:04:31: Das Gefühl nicht dazu zu gehören, nicht willkommen zu sein, isoliert zu werden, ist

00:04:36: also ein entscheidender Grund dafür, weshalb es mehr als die Hälfte der Eingewanderten

00:04:40: wieder in ihre Heimat oder in ein anderes Land zieht.

00:04:43: Tun wir wirklich genug für die Integration ausländischer Fachkräfte?

00:04:47: Nur weil sie hier einen Job und ihren Platz im Arbeitsumfeld gefunden haben, sind sie

00:04:52: nicht automatisch auch sozial angekommen, das haben die Befragten immer wieder beschrieben.

00:04:56: Dass eben dieses Gefühl hier akzeptiert zu werden, und zwar nicht nur als Arbeitskraft,

00:05:01: sondern eben auch als Mensch sehr wichtig war.

00:05:03: Markus Pangestu, der kennt all das, diese sozialen Hürden und emotionalen Herausforderungen aus

00:05:10: eigener Erfahrung, als 16-Jähriger ist er vor 30 Jahren mit seinen Eltern aus Brasilien

00:05:15: nach Deutschland gekommen und auch ihm fiel es nicht leicht, sich hier einzugehören.

00:05:19: Die Erfahrungen beim Einkommen, das war unterschiedlich, also zuerst, es war kalt, ich hatte noch nie

00:05:26: in meinem Leben so eine Kälte gespürt, wie ich in Deutschland, das kannte ich gar nicht,

00:05:31: und ich glaube, dass das Klima beeinflusst, ja auch sehr viel die Stimmung, auch die Mentalität

00:05:36: aber auch, also ich war sozusagen auch eine offene Einstellung und Mentalität gewohnt,

00:05:43: dass man einfach auf die Menschen leichter zu geht und genauso umgekehrt, dass Menschen

00:05:49: dann offener zu dir sind, und das war hier wiederum anders die Erfahrung.

00:05:54: Dass Markus hier mit offenen Armen empfangen wurde, davon kann also er nicht die Rede sein,

00:05:59: und so geht es vielen Eingewanderten.

00:06:01: Daraus entsteht wiederum ein neues Problem.

00:06:03: Die Migranten eignen auch dazu, sich mit Leuten zu treffen, die auch ihre Muttersprache sprechen.

00:06:07: Das ist natürlich schön, man fühlt sich natürlich wohl, das ist ja die selbe Einstellung,

00:06:12: die selbe Mentalität oder das sind Ähnlichkeiten, aber der Problem ist ja dabei natürlich,

00:06:16: dass das diese Subkultur dadurch entwickelt wird und man ja nicht so schnell Fortschritte

00:06:22: macht bezüglich der deutschen Sprache und bezüglich der Integration hier dann.

00:06:26: Eine fehlende Willkommenskultur bewirkt also, dass sich die Menschen noch weiter voneinander

00:06:31: entfernen, als sie es bei der Ankunft vielleicht schon waren, und die Kluft zwischen einheimischen

00:06:35: und Eingewanderten noch größer wird.

00:06:38: Wir sehen jetzt, wie stark die AfD wird, wir sehen wiederum diesen Vorfall auf Süd, wo

00:06:44: ausländerfeindliche Parolen gegrölt werden, ja und das ist so in der Öffentlichkeit.

00:06:48: Wir sehen ja auch weltweit so, wie dieser Rechtsruck auch präsent ist.

00:06:53: Eine Entwicklung, mit der auch H-Kandemie immer wieder konfrontiert wird, er war unter

00:06:58: anderem stellvertretender Sprecher der AG Migration und Integration im Bundestag und

00:07:03: er weiß, welche Ängste, Gedanken und Sorgen die zunehmende Fremdenfeindlichkeit in den

00:07:09: Menschen auslöst und welche negativen Folgen das auch auf die Zuwanderung von Fachkräften

00:07:14: haben kann.

00:07:15: Menschen, die beispielsweise jetzt in Indien sind und dann mitbekommen, dass in Deutschland

00:07:20: an einem Urlaubsort in Deutschland plötzlich Ausländer rausgerufen wird oder gesungen

00:07:25: wird, dann sind das die Menschen, die das ganz schnell mitbekommen und dann sich natürlich

00:07:29: zwei, drei, vier mal überlegen, ob sie nach Deutschland kommen.

00:07:32: Und die Menschen, die wir leben, die führen sich natürlich auch angesprochen durch diese

00:07:35: ganzen Migrationsdebatten, die wir haben.

00:07:38: Ich werde häufiger angesprochen von Deutschen, Jugendlichen mit Migrationsgeschichte, ob

00:07:43: sie abgeschoben werden.

00:07:44: Dann verstehe ich jeden, der sagt, wenn ich hier Diskriminierung erfahre, möchte ich

00:07:48: auch hier nicht bleiben.

00:07:49: Für viele sind die besseren Jobaussichten und Karrierechancen in Deutschland ausschlaggebend

00:07:53: für die Migration.

00:07:54: Auch für Markus Pangestus' Familie war die wirtschaftliche Situation der Auslöser zur

00:07:59: Auswanderung.

00:08:00: Mein Vater wurde sozusagen als Fachkraft von meinem Onkel rekrutiert und zwar damals

00:08:06: schon im Rahmen der Fachkräfteinwanderung gesetzt ist und der hat sozusagen Geld gespart

00:08:11: und gesammelt und hat zwei Jahre danach die Familie sozusagen auch nach Deutschland gebracht

00:08:17: und er folgte das Ganze im Rahmen der sogenannten Familienzusammenführung.

00:08:21: Die Gründe, die Markus Familie vor 30 Jahren nach Deutschland verschlagen haben, die sind

00:08:25: auch heute immer noch dieselben und ziehen immer noch Millionen Menschen hierher.

00:08:30: Auf die Frage, warum sie sich ausgerechnet für Deutschland entschieden haben, werden

00:08:34: dann aber auch meistens berufliche oder wirtschaftliche Faktoren genannt.

00:08:37: Also für Deutschland sprechen gute Arbeitsbedingungen, Karrierechancen oder eben auch ein attraktives

00:08:42: Einkommen.

00:08:43: Aber auch eine hohe Lebensqualität spielt eine Rolle, warum Personen nach Deutschland

00:08:47: kommen.

00:08:48: Zumindest haben sie darauf gehofft.

00:08:49: Die Realität ist aber leider oftmals eine ganz andere.

00:08:52: Auch wenn die Entscheidung für eine Zuwanderung ganz bewusst und voller Überzeugung getroffen

00:08:56: wurde, endet der Traum von einem besseren Leben in Deutschland mit Ernüchterung und

00:09:01: Enttäuschung.

00:09:02: Sprachbarrieren, kulturelle Unterschiede, soziale Ausgrenzung, aber auch ganz praktische

00:09:07: Herausforderungen wie die Suche nach einer Wohnung, mangelnde Aufstiegschancen oder hohe

00:09:12: Lebenshaltungskosten erschweren nicht nur die Integration, sondern sind

00:09:16: und am Ende auch Gründe dafür, dass viele Deutschland wieder verlassen und ihr Glück stattdessen

00:09:19: in einem anderen Land suchen.

00:09:21: Wichtig bei diesen Personen, die aber in Neuesland abgewandert sind, sind dann auch arbeitsbezogene

00:09:27: Gründe, also bessere Arbeitsbedingungen oder die Bezahlung bei besser und eine höhere

00:09:31: Lebensqualität.

00:09:32: Das heißt, andere Länder haben einfach eine bessere, attraktivere Willkommenskultur und

00:09:37: bessere Arbeits- und Karrieremöglichkeiten.

00:09:39: Oder andersrum gesagt, Deutschland ist einfach nicht lebenswert für Zugerwanderte, zumindest

00:09:44: nicht langfristig.

00:09:46: Was am Ende das sprichwörtliche Fass konkret zum Überlaufen hat bringen lassen, also

00:09:50: den ausschlaggebenden Anreiz gegeben hat, Deutschland wieder zu verlassen, das lässt sich meist gar

00:09:54: nicht sagen.

00:09:55: Abwanderungsgründe sind komplex und individuell.

00:09:58: Vermutlich ist es einfach ein bisschen von allem.

00:10:01: Und trotzdem sagt ein erheblicher Teil der Befragten, dass sie eigentlich gerne länger

00:10:06: in Deutschland gelebt hätten.

00:10:07: Und knapp 40% können sich sogar vorstellen, wieder zurückzukommen.

00:10:11: Immerhin, sie sprechen unsere Sprache, kennen das System und haben zum Teil auch Freunde

00:10:15: und Bekannte zurückgelassen.

00:10:17: In den meisten Fällen sind das Menschen, die das Land wegen aufenthaltsrechtlicher Bestimmungen

00:10:21: oder befristeter Studienaufenthalter wieder verlassen mussten, also nicht freiwillig gegangen

00:10:26: sind.

00:10:27: Im Gegensatz dazu denken diejenigen, die Erfahrungen mit Diskriminierung und der nicht vorhandenen

00:10:32: Willkommenskultur gemacht haben, seltener über eine Rückkehr nach Deutschland nach.

00:10:37: Fakt ist aber, Deutschland braucht diese Menschen aus dem Ausland und ihr know how.

00:10:41: Also muss sich etwas verändern.

00:10:43: Ganz oben auf der To-do-Liste.

00:10:45: Dass es wichtig ist, nicht nur eine Willkommenskultur zu schaffen, sondern eben auch eine Bleibekultur,

00:10:50: die die Menschen auch über längere Zeit hier begleitet, anzukommen.

00:10:52: Und es ist auch nicht nur wichtig mit Blick auf den Fachkräftemangel, also es ist nicht

00:10:57: nur ein Alarmsignal für den Fachkräftemangel, sondern es sagt eben auch viele über das

00:11:00: soziale Klima in Deutschland aus.

00:11:02: Also es geht nicht unbedingt um die Arbeitsbedingungen, sondern die sozialen Bedingungen hier in Deutschland.

00:11:07: Wenn wir verstehen, warum Menschen wieder abwandern und welche Bedürfnisse sie in sozialer und

00:11:12: beruflicher Hinsicht haben, dann können wir daraus sehr viel lernen und die Rahmenbedingungen

00:11:17: dahingehend ändern, dass sie erst gar nicht gehen wollen.

00:11:20: Oder eben, dass die Fachkräfte, die schon einmal hier waren, wieder zurückkommen möchten.

00:11:24: Um das zu schaffen, nennt die Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung verschiedene Aufgaben.

00:11:28: Allen voran müssen Eingewanderte als "Menschen" und nicht nur als reine Arbeitskraft gesehen

00:11:34: und entsprechend gewertschätzt werden und sie müssen langfristig bei der Integration

00:11:38: unterstützt werden und nicht nur bei ihrer Ankunft.

00:11:40: Was das angeht, sind wir aber schon auf einem einigermaßen guten Weg, vor allem wenn man

00:11:46: es mit der Situation vergleicht, die Eingewanderte noch vor einigen Jahrzehnten hier erwartet

00:11:50: haben, etwa als Hakan Demias Großeltern aus der Türkei nach Deutschland kamen.

00:11:55: Sie hatten überhaupt keine Angebote.

00:11:57: Also es war klar, dass sie arbeiten können im Krankenhaus, beispielsweise dort im Reinigungsbereich

00:12:01: arbeiten können.

00:12:02: Das galt für meine Großvater.

00:12:04: Mein Großvater galt, dass er im Tief- und Hochbau arbeiten konnte, also auch für den Bau, wenn

00:12:10: man so will.

00:12:11: Aber es gab keine sozialen Integrationsangebote jenseits dieser Arbeit.

00:12:16: Es gab nicht ein Integrationskurs.

00:12:18: Es gab nicht einen Begegnungsort, dass man sagt, hier ist ein Café, wo auch alle anderen

00:12:24: Menschen da sind.

00:12:25: Es gab diese Möglichkeiten nicht.

00:12:27: Aber das haben wir ja jetzt Jahrzehnte danach langsam geändert mit Integrationskursen,

00:12:33: mit einem anderen Aufenthaltsgesetz, aber das hat natürlich sehr viele Jahre dauert.

00:12:38: Trotzdem ein Schritt in die richtige Richtung, auch wenn da natürlich noch viel Arbeit vor

00:12:42: uns liegt.

00:12:43: Dass sich jemand hier in Deutschland wohl und sozial integriert fühlt und sich als

00:12:47: aktives Mitglied der Gesellschaft wahrnimmt, das ist eben kein Selbstläufer.

00:12:52: Das muss aktiv gefördert werden.

00:12:54: Nur so kann man die Bindung der Zugewanderten an Deutschland stärken.

00:12:57: Wenn wir unter der Willkommenskultur eine positive Einstellung gegenüber Migrant*innen

00:13:03: verstehen, eine positive Einstellung von Bürger*innen, von Politiker*innen, von Unternehmen, von

00:13:09: Sportvereinen und so weiter und so fort, dann müssen wir eben auch bei diesen Akteuren

00:13:15: ansetzen, wenn wir an einer stärkeren Willkommenskultur arbeiten müssen, an einer positiven Einstellung

00:13:21: gegenüber Migration.

00:13:22: Und ich glaube, das Narrativ über Zuwanderung, das halt momentan in der Öffentlichkeit

00:13:27: dominiert, das läuft halt so an einer positiven Einstellung einfach entgegen.

00:13:31: Doch wie lässt sich eine Willkommenskultur in Deutschland fördern?

00:13:35: Vor dieser Aufgabe stehen die Politiker*innen der demokratischen Parteien, denn sie müssen

00:13:40: einen gemeinsamen Weg finden und ein gemeinsames Ziel definieren.

00:13:44: Dass das nicht immer so leicht ist, das haben wir zuletzt in den Koalitionsverhandlungen

00:13:49: gesehen.

00:13:50: Und auch H-Kandemie-Mitglied im Bundestag für die SPD ist zwiegespalten, ob man mit

00:13:55: der Union da wirklich einen gemeinsamen Nenner finden kann.

00:13:58: Bei Fachkräftemigration, Arbeitskräftemigration sehe ich dann eine gewisse Offenheit in diesem

00:14:04: Bereich.

00:14:05: Allerdings ausgehend natürlich von einer sehr interessengeleiteten Politik, also wirklich

00:14:10: dann, dass man dann sagt, wir wissen, 2035 sind weniger Menschen auf dem Arbeitsmarkt

00:14:15: und wir kriegen es anders nicht hin und deshalb sagen wir jetzt ja.

00:14:18: Aber da kriegt man natürlich keine Willkommenskultur hin.

00:14:21: Wenn man jetzt nur stuhrökonomisch denkt, Interessen geleitet denkt, sondern man muss

00:14:27: ja auch parallel dazu tatsächlich gucken, das sind Menschen, die wollen hier bleiben,

00:14:32: die wollen eine Familie aufbauen, die wollen zur Schule.

00:14:35: All diese Sachen müssen wir mit bedenken.

00:14:36: Ich hab den Eindruck, dass da die CDU/CSU das nicht immer mit bedenkt, dafür muss es

00:14:43: halt die Sozialdemokratie noch stärker machen.

00:14:46: Ich bin grundsätzlich zuversichtlich, dass wir in diesem Bereich vieles hinbekommen

00:14:49: können, auch was die Digitalisierung anbelangt, wie wir das in Kanada und so weiter kennen,

00:14:54: aber im Bereich geflüchteten Politik, da bin ich nicht so zuversichtlich, weil dort

00:14:59: tatsächlich es sehr viele Unterschiede zwischen uns, unseren Parteien gibt.

00:15:04: Eine konkrete Vorstellung davon, was sich ändern müsste, die hat Hakan Demir aber.

00:15:09: Er sieht die Lösung für das Abwanderungsproblem in Begegnungsorten, also Einrichtungen, wo

00:15:14: Menschen zusammenkommen, sich kennenlernen und im besten Fall Gemeinsamkeiten entdecken.

00:15:19: Momentan hab ich den Eindruck, man ist da so noch separat unterwegs, es gibt nicht so

00:15:24: viele Begegnungsorte innerhalb der Gesellschaft, aber ich glaube, wenn man sich begegnet und

00:15:30: gemeinsam etwas macht, dass dann auch, wenn sie nicht die Vorurteile, die man vielleicht

00:15:34: auch hat, dass die auch abgebaut werden und dass man dann erkennt, dass man jetzt hier

00:15:39: gemeinsam in Deutschland ist und gemeinsam möchte, dass das Land vorankommt, dass die

00:15:44: Menschen gemeinsam arbeiten, gemeinsam leben und dass es bereichernd ist, wenn die Gesellschaft

00:15:51: so und so ist.

00:15:52: Im Grunde geht es also darum, sich als eine Einheit verstehen zu lernen, die aus vielen

00:15:56: bunten unterschiedlichen Teilen besteht und dass Unterschiede nicht schlecht sein müssen,

00:16:01: sondern im Gegenteil bereichernd sein können.

00:16:04: Und es gibt auch schon Projekte in Deutschland, die uns zeigen, wie das funktionieren könnte.

00:16:08: Markus Pangestu ist dafür ein gutes Beispiel.

00:16:11: Seit fünf Jahren arbeitet er als Willkommenslohze für die Handwerkskammer für Schwaben.

00:16:16: Das ist ein Projekt, welches gefördert wird durch das Bundesministerium für Wirtschaft

00:16:21: und Energie jetzt, vorher Wirtschaft und Klimaschutz, jetzt heißt es Wirtschaft und Energie.

00:16:26: Was ist meine Aufgabe, mein Job?

00:16:28: Mein Job ist ja die Beratung und Unterstützung von Unternehmen bzw. die Unterstützung von

00:16:33: schwäbischen Handwerksbetrieben zum Thema Ausbildung von Migranten und Migrantinnen.

00:16:39: Was heißt das konkret?

00:16:41: Das bedeutet, Betriebe entscheiden sich dafür, entweder Migranten mit oder ohne Fluchtstatus

00:16:47: bzw. auch Personen aus Drittstatern direkt aus dem Ausland auszubilden.

00:16:52: Dann bin ich für die schwäbische Handwerksbetriebe sozusagen da, ich berate sie, unterstütze

00:16:57: sie und begleite die Betriebe durch diesen Rechts- und Rekrutierungs-Jungles.

00:17:02: Auch wenn eine erfolgreiche Integration auf dem Arbeitsmarkt nicht automatisch auch eine

00:17:07: Integration auf sozialer Ebene bedeutet und sie auch nicht davor schützt, dass Menschen

00:17:11: Deutschland wieder verlassen, die Rolle der Willkommenslohzen ist immerhin ein Anfang.

00:17:16: Natürlich kann die Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung nur einen ersten Impuls geben, welcher Aufgaben

00:17:21: auf dem Weg zur erfolgreichen Fachkräfte Integration noch zu bewältigen sind, sicher

00:17:26: braucht es hier noch eine weitere wissenschaftliche Betrachtung, aber schon jetzt ist klar geworden.

00:17:31: Willkommen, das ist nicht einfach nur ein Wort auf einem Banner, das muss gelebt werden.

00:17:37: Gute Freunde verlässt man ungern, also es ist nicht die Stadt, es ist nicht die Straße

00:17:42: oder es sind nicht die Straße, die Cafés und die Restaurants, die binden, sondern es sind

00:17:47: die Menschen, die gemeinsame Erlebnisse mit den Inländern, sei es ob man am Sonntag gemeinsam

00:17:53: grillt, dieses Zusammenlachen, das sind diese Faktoren der Lebensfreude, die wirklich binden

00:17:59: und das Gefühl vermittelt, dazuzugehören und willkommen zu sein.

00:18:04: Und damit sind wir auch schon wieder am Ende unserer aktuellen Folge "Zukunft gerecht",

00:18:09: dem Podcast der Friedrich-Ebert-Stiftung.

00:18:12: Vielen Dank fürs Zuhören, wir freuen uns, wenn Sie den Podcast abonnieren und möchten

00:18:17: Ihnen an dieser Stelle auch unseren Podcast "Zukunft gerecht" Talk empfehlen.

00:18:20: Sie finden uns auf Spotify, Apple Podcast und allen anderen bekannten Podcast-Plattformen.

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