Die EU-Förderpolitik solidarisch gestalten | 07 Zukunft gerecht

Shownotes

Die Regionen Europas driften auseinander. Bestehende Ungleichheiten werden in der Corona-Krise weiter verstärkt. Regional- und Strukturfonds sollen helfen die Ungleichheiten innerhalb der Europäischen Union abzubauen – doch die Beantragung von Fördermitteln ist kompliziert. Um eine solidarische EU-Förderung zu ermöglichen, muss sich die Förderpolitik ändern. Auch der geplante Corona-Wiederaufbaufonds soll die Regionen unterstützen, aber wer wird davon profitieren? Mit unseren Expert_innen haben wir darüber gesprochen, wie der Zugang zu EU-Fördermitteln gerechter gestaltet werden kann.

Mit: Lina Furch, Prof. Dr. Jens Südekum, Nico Steinbach, Dr. Lutz Trümper. Moderation: Claudia Knoppke

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00:00:00: Hallo zum Podcast "Zukunft gerecht" der Friedrich-Ebert-Stiftung.

00:00:07: Ich bin Claudia Knopke und ich nehme Sie mit auf eine spannende Reise durch die Welt

00:00:11: der Fragen, Antworten und Vorschläge zu vielen Themenbereichen unserer Zukunft.

00:00:16: Kohesion dieser Begriff kommt eigentlich aus der Physik.

00:00:20: In der EU steht Kohesion für den Zusammenhalt.

00:00:23: Die Koessionspolitik, die Regionalpolitik, ist einer der wichtigsten und am besten finanzierten

00:00:29: Bereiche in der EU.

00:00:31: Es gibt Regionalförderung, Strukturförderung und die soll vor allem schwächeren Regionen

00:00:37: helfen, den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Anschluss zu halten.

00:00:41: Ostdeutschland hat beispielsweise nach der Wiedervereinigung sehr stark von der Regionalförderung

00:00:47: profitiert, denn dank der EU-Fördermittel konnten ländliche Regionen unterstützt

00:00:52: und neue Strukturen aufgebaut werden.

00:00:55: Ostdeutschland hat dann wirklich dramatische Zeiten erlebt, der Strukturwandel, das Wegbrechen,

00:01:00: letztendlich der gesamten Wörterstruktur, das waren ja traumatische Erfahrungen in Ostdeutschland

00:01:04: und die konnte jetzt natürlich nicht komplett abgefedert werden, aber ohne die Regionalförderung

00:01:10: und ohne auch die Gelder aus Brüssel wären quasi die Einschritte noch viel gravierender gewesen.

00:01:15: Sagt Jens Südikum, der Autor der Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung Europas Regionen

00:01:21: besser fördern.

00:01:22: Aber auch in Westdeutschland trägt die Regionalförderung einen beachtlichen Teil zur Strukturförderung

00:01:28: bei.

00:01:29: Also all das, was wir immer wieder mal entdecken, wenn wir zum Beispiel auf Bauschildern an

00:01:33: Straßen oder Gebäuden Hinweise sehen wie gefördert von der Europäischen Union.

00:01:38: Doch erfüllt diese Förderung der Regionen auch ihren Zweck, denn es geht ja darum,

00:01:44: innerhalb der EU möglichst alle auf einen vergleichbaren Stand zu bringen.

00:01:47: Doch die Ungleichheit zwischen den Mitgliedsstaaten der EU hat sich verfestigt.

00:01:52: Schlimmer noch, selbst innerhalb der Länder driften die Lebensverhältnisse auseinander.

00:01:57: Auch in Deutschland wachsen die Unterschiede zwischen den Urbarnen, den städtischen und

00:02:01: den ländlichen Regionen, wenn wir uns die wirtschaftliche Entwicklung und den gesellschaftlichen

00:02:06: Zusammenhalt ansehen.

00:02:07: Das zeigt auch der Disparitätenbericht der Friedrich-Ebert-Stiftung sehr gut.

00:02:12: Auf einer interaktiven Karte sind das Bildungsniveau Wirtschaft und Lebenserwartung dargestellt.

00:02:18: Wer dort mal genauer reinschauen möchte, findet den Disparitätenbericht der Friedrich-Ebert-Stiftung

00:02:24: im Netz unter www.fes.de/ungleiches-deutschland.

00:02:31: Zeigen also die EU-Förderfonds, die helfen sollen, die Ungleichheit zwischen den Regionen

00:02:36: abzubauen, nicht den gewünschten Effekt.

00:02:39: Und dann kommt die Covid-19-Pandemie noch obendrauf.

00:02:43: Aber ist die Corona-Krise vielleicht auch eine Chance, die EU-Förderungen zu verbessern?

00:02:47: Die Studie Europas Regionen besser fördern gibt konkrete Empfehlungen dazu, wie die Förderung

00:02:53: gerechter und wirksamer sein kann.

00:02:56: Denn das zeigt die Studie ebenfalls nicht die Schwächsten bekommen die beste Förderung,

00:03:00: sondern die Cleversten.

00:03:01: Das aber stellt das Grundprinzip der EU-Förderung völlig auf den Kopf.

00:03:06: Denn es geht ja gerade darum, schwächere Regionen und Länder wirtschaftlich und strukturell

00:03:11: zu fördern, damit sie nicht abgehängt werden, sagt Lina Furch.

00:03:15: Das ist das eine, das andere ist natürlich auch, dass man sagen muss, das ist im Endeffekt

00:03:20: eigentlich Ausdruck der Solidarität der EU mit den weniger entwickelten Mitgliedstaaten

00:03:24: und Regionen.

00:03:25: Es gibt ganz konkret um gelebte Solidarität, wie kann ich in einem Gemeinschaftsprojekt,

00:03:29: was die EU ja auch ist, es eben schaffen, dass man eine annähernde, ja gleiche,

00:03:35: die Lebenswirklichkeit aber gleiche Verhältnisse letztlich auch schaffen.

00:03:38: Lina Furch ist Europaexpertin und Expertin in Sachen EU-Regionalförderung.

00:03:44: Denn sie ist stellvertretende Generalsekretärin der deutschen Sektion des Rates der Gemeinden

00:03:49: und Regionen Europas.

00:03:51: Damit ist sie auch ganz nah dran, wenn es darum geht, eine Stimme für deutsche Kommunen

00:03:56: und Regionen in Brüssel zu sein.

00:03:58: Denn die Bedeutung der Strukturförderung ist auch in vielen deutschen Gemeinden und

00:04:02: Regionen groß.

00:04:03: Man sieht schon, dann wir mit unseren Mitgliedern auch sprechen, dass sehr viele Städte, Gemeinde

00:04:09: und auch Landkreise eben gerade auch Interesse daran haben, Mittel aus den Strukturfonds zu

00:04:15: bekommen und EU-Projekte umzusetzen.

00:04:17: Das ist einfach eine Möglichkeit, sich da auch weiterzuentwickeln oder eben auch bestehende

00:04:22: Strukturdefizite, die vorhanden sind, sei es durch Strukturwandel, wenn man aus Ruhrgebiet

00:04:26: guckt, beispielsweise oder wenn man eben halt auch auf den Osten Deutschlands schaut, aber

00:04:33: auch in anderen Bereichen, Digitalisierung etc. ist einfach eine Möglichkeit hier voranzuschreiten

00:04:38: und eben Dinge für die Menschen vor Ort ganz konkret zu stärken.

00:04:41: Insofern ist es auf jeden Fall sehr positive Geschichte auch in Deutschland.

00:04:45: In der Corona-Pandemie sind jetzt schon sichtbare Löcher in Strukturen gerissen worden, die

00:04:50: viel Koesionspolitik, viel Förderung brauchen werden, um wieder Stabilität in die Struktur

00:04:56: zu bringen.

00:04:57: Dabei sieht es in Deutschland noch vergleichsweise gut aus, sagt Lina Furch.

00:05:01: Wir haben Belastungen, die man spürt oder die man spüren wird, die die Menschen auch

00:05:06: spüren werden, geschätzt von rund so 20 Milliarden Euro, bedingt eben dadurch, dass man einer

00:05:11: seits sagt Steuerausfall, insbesondere natürlich Gewerbesteuer, Veröhnung der Innenstädte,

00:05:17: so was wie Insolvenzen, aber natürlich gleichzeitig auch steigende Ausgaben.

00:05:20: Man rechnet tatsächlich damit, dass man Steuereinnahmenrückgang von rund 16 Milliarden Euro bzw.

00:05:27: im Vergleich zum letzten Jahr und 13 Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahr haben wird.

00:05:30: Das ist eine riesige Summe, muss man sagen an der Stelle.

00:05:33: Und das wird Auswirkungen haben natürlich insbesondere auf öffentliche Investitionen

00:05:36: und das wiederum spüren die Menschen soweit.

00:05:38: Jetzt haben wir in Deutschland, würde ich sagen, das große Glück an der Stelle, dass

00:05:42: wir ein Konjunkturpaket durch die Bundesregierung geschnürt haben, das wirklich ein beeindruckendes

00:05:47: Signal für die kommunale Ebene letztlich darstellt, um eben so Handlungsfähigkeit von Kommunen

00:05:52: eben weiterhin zu sichern.

00:05:53: Das ist der positive Teil.

00:05:56: Es gibt aber auch hier ein Aber, denn das Deutsche Konjunkturpaket werde nicht alles abdecken,

00:06:01: sagt Lena Furch.

00:06:02: Und aus europäischer Sicht hat die Corona-Krise die EU-Mitgliedstaaten unterschiedlich hart

00:06:07: getroffen.

00:06:08: Deshalb haben sich auch unterschiedlich tiefe Gräben aufgetan.

00:06:12: Die EU will mit ihrem Wiederaufbauprogramm Next Generation EU helfen.

00:06:17: Und eben innerhalb dieses Wiederaufbauprogramms soll es ja auch eine Initiative geben unter

00:06:24: dem Stichwort "React EU", die Initiative, die Beinhalte in dem Wesentlichen eigentlich

00:06:29: 55 Milliarden Euro als Aufstockung der Koalition und Strukturpolitik an der Stelle.

00:06:34: Das Ganze ist befristet bis 2022, also jetzt eher eine kurzfristige Lösung an der Stelle,

00:06:41: ist, denke ich, als positives Signal zu werten, dass andere Fokussierungen ganz klar auf

00:06:46: Regionen, die am härtesten getroffen worden sind.

00:06:49: Das heißt, wir gehen mal von unserer Schätzung davon aus, dass das wohl eher Anwendung

00:06:54: finden wird in Ländern wie Italien, in Spanien, in Frankreich, die noch mal ganz anders von

00:06:58: der Krise auch betroffen sind und auch andere Reaktionsmöglichkeiten hatten.

00:07:02: Und was das restliche Geld in der Next Generation EU angeht, da muss man sagen, da ist bisher

00:07:07: überhaupt nicht klar, inwieweit hier eine kommunale Ebene auch berücksichtigt wird.

00:07:11: Wird es direkte Zungah geben oder wird es den nicht geben?

00:07:15: Vermutlich eher Letztes wird es über die Länder auch laufen.

00:07:18: Das ist alles noch unklar.

00:07:19: Das heißt, da kann man noch gar nicht so wahnsinnig viel sagen.

00:07:22: An Gelder aus den EU Fördertöpfen zu kommen ist aber auch ohne eine Covid-19-Pandemie

00:07:27: keine leichte Aufgabe.

00:07:28: Ganz im Gegenteil, sagt Studienautor und Professor für Wirtschaftswissenschaften Jens Südekommen.

00:07:35: Wenn wir auf die Probleme schauen, ist es wahrscheinlich das größte Problem, dass die gesamte EU-Regionalförderpolitik

00:07:42: extrem kompliziert und bürokratisch ist und im Zeitablauf, das wird von allen kritisiert,

00:07:47: immer bürokratischer auch geworden ist.

00:07:50: Deshalb entscheiden sich viele Kommunen aber auch Unternehmen oder Vereine häufig gegen

00:07:54: eine EU Förderung.

00:07:56: Der bürokratische Aufwand ist aber nur ein Aspekt.

00:07:59: Man muss sich EU Förderung auch erst einmal leisten können, sagt Jens Südekommen.

00:08:03: Ein weiteres großes Problem ist, dass die Projekte immer mit einer Art Co-Finanzierung ausgestaltet sind.

00:08:09: Das heißt, man bekommt sozusagen den einen Euro aus den Brüsselertöpfen nur dann, wenn

00:08:13: man einen gewissen Teil selber aus Eigenmittel oben drauflegt.

00:08:17: Manchmal sind das 20 Cent, manchmal sind es auch sogar nur 10 Cent.

00:08:20: Das hört sich nicht viel an und das hört sich nach einem guten Geschäft an.

00:08:23: Man sagt, du musst nur 10 Cent ausgeben und dann kommt ein Euro aus Brüssel.

00:08:27: Das Problem ist, dass eben viele Regionen in Deutschland bei den Kommunalfinanzen es so

00:08:32: desulat aussieht, dass selbst diese 10 Cent für einige zu viel sind.

00:08:36: Und damit schießt sich natürlich die Regionalförderung ein bisschen selber ins Knie, wie man sagt,

00:08:40: die schwächsten Regionen sollen gefördert werden.

00:08:42: Aber so sind die schwächsten Regionen, können sich diese Förderung manchmal gar nicht leisten.

00:08:47: Das könnte jetzt etwas einfacher werden, denn tatsächlich hat die EU ja angekündigt,

00:08:51: wegen der Corona-Krise und den daraus erwachsenen wirtschaftlichen Problemen,

00:08:56: die Co-Finanzierung bis 2022 auszusetzen.

00:09:00: Doch auch das haben wir von Lina Furch schon gehört, das dürfte wahrscheinlich vor allem

00:09:05: den besonders hart betroffenen Regionen zugutekommen.

00:09:08: Bei allen möglichen Vorbehalten hat die Arbeit an der Studie Europas Regionen besser Fördern

00:09:14: für Jens Südikum gezeigt.

00:09:16: Ohne Förderung sehe es in vielen Regionen ganz schlecht aus.

00:09:19: Also gerade auf der Kommunalen, aber auch auf der Landesebene war schon ganz deutlich zu hören,

00:09:24: dass man ohne die Originalförderung sehr, sehr vieles niemals hätte machen können,

00:09:29: also dass sie enorm geholfen hat, sehr wichtig war.

00:09:31: Zum Beispiel in Ostdeutschland nach der Wiedervereinigung,

00:09:34: das heißt gerade jetzt in so beim Thema Städtebauförderung, Infrastrukturaufbau nach der Wende,

00:09:40: Förderung ländlicher Räume, da hat die EU-Förderpolitik eben sehr, sehr positive Effekte gehabt,

00:09:45: das wird von allen bestätigt.

00:09:46: Aber klar, gleichwohl gibt es in diesem Bereich natürlich auch Verbesserungsbedarf und Probleme.

00:09:50: Die Licht- und Schattenseiten der EU-Regionalförderung zeigen sich in Ost- und Westdeutschland.

00:09:56: Die Studie hat die Auswirkungen exemplarisch in Rheinland-Pfalz und in Sachsen-Anhalt untersucht.

00:10:02: Und dort gibt es viele Ideen, wie die EU-Regionalförderung besser sein könnte.

00:10:07: Wir haben dazu auch mit Nico Steinbach gesprochen.

00:10:09: Er ist SPD-Landtagsabgeordneter in Rheinland-Pfalz.

00:10:13: Und er sagt, die EU-Regionalförderung ist wichtig.

00:10:16: Jetzt in der Corona-Krise noch einmal wichtiger, aber sie muss direkter werden.

00:10:21: Ja, die Fonds haben ja genau den Ansatz, den wir aktuell bräuchten,

00:10:26: ob das der Sozialfonds oder die Strukturfonds und viele andere sind.

00:10:29: Wichtig ist im kompletten Förderwesen, dass es gerade für den kommunalen Bereich sehr schlank,

00:10:35: sehr nachvollziehbar und sehr direkt ist.

00:10:38: Also selbst als Ortsprogrammeister spreche, dann ist es oft eine Barriere,

00:10:44: wenn man die Programme nicht ganzheitlich durchblickt für die Akteure vor Ort.

00:10:49: Und auch die Beantragungswege über viele Ebenen sind oft abschreckend,

00:10:54: insbesondere wenn es keine hauptamtlich geführten Kommunen sind.

00:10:59: Die wir natürlich in unserer kommunalen Struktur in Rheinland-Pfalz aber auch in anderen Bundesländern haben.

00:11:05: Dabei gebe es sehr wohl ganz direkte und auch verständliche Förderprogramme.

00:11:09: Für Nico Steinbach ist ein positiv Beispiel, eine Initiative...

00:11:13: der EU-Kommission um Kommunen mit freiem WLAN auszustatten.

00:11:17: Ich habe mich neulich als Ortsbürgermeister beworben für dieses Wifi vor EU.

00:11:22: Das war quasi ein Direktprogramm.

00:11:24: Man lädt hoch, wer man ist, man legitimiert sich und hat dann auch ein direktes Feedback.

00:11:29: Nach dem Motto "Antrag ist eingegangen", es gibt eine klare Zeitschiene, es wird geprüft,

00:11:33: es gibt eine Antwort, ja oder nein oder eben eine abweichende Entscheidung.

00:11:37: Und das muss gerade auch, wenn wir über Digitalisierung sprechen, Zukunft sein,

00:11:42: zumindest in Programmen, die schlank abzuwickeln sind.

00:11:45: Natürlich machen wir uns nichts vor, sehr komplexe Projekte, die über Regionen manchmal auch gehen,

00:11:52: das heißt, dass sie nicht auf die Gemeindeebene bezogen werden.

00:11:55: Leider nie im DIN A4-Format, im Direktgeschäft gänzlich abzuwickeln sein.

00:12:00: Aber das Ziel sollte trotzdem immer im Hinterkopf bleiben, denn ich denke,

00:12:04: vieles kann wesentlich schlanker gehen und auch einfacher und verständlicher damit.

00:12:08: Für Nico Steinbach schrecken aber nicht in erster Linie die bürokratischen Monster,

00:12:12: die Kommunen und Regionen davon ab, sich um Fördermittel zu bewerben,

00:12:16: das sei auch deshalb so, weil viele Programme über die Länderebene organisiert würden.

00:12:20: Für ihn kann er "goldenes Gift" abschreckend sein.

00:12:25: Da ist die Co-Finanzierung das Stichwort.

00:12:27: Also die Gemeinden, die natürlich aufgrund ihrer geografischen und wirtschaftlichen Lage

00:12:31: steuerlich sehr schwach sind, haben damit in der Regel natürlich schon ein Problem.

00:12:35: Ganz klar, man spricht manchmal so von dem "goldenen Gift" des Förderwesens,

00:12:39: dass die Eigenanteile durchaus auch die Leistungsfähigkeit übersteigen können.

00:12:43: Und es ist immer wichtig, dass es in diesen Programmen auch einen dynamischen Eigenanteil gibt,

00:12:48: der die Finanzkraft der Gemeinde auch ein Stück weit berücksichtigt,

00:12:52: so wie wir es bei den Landesprogrammen in der Regel auch haben,

00:12:54: Investitionsstock auch im Teilen bei der Dorferneuerung, wo das auch berücksichtigt wird,

00:13:00: wo teilweise ja bis 90 Prozent Förderungen dann auch möglich sind.

00:13:04: Auch für Nico Steinbach besteht durchaus die Gefahr, dass sich die Ungleichheiten weiter verstärken.

00:13:09: Oder wie es in der Studie heißt, nicht die Schwächsten, sondern die Cleversten.

00:13:13: Und die gut ausgestatteten Kommunen haben bessere Chancen auf die richtige EU-Förderung.

00:13:19: Um diese Unterschiede auszugleichen, sieht er die EU-Amtszug.

00:13:23: Nicht die Kommunen müssen sich professionalisieren, sondern die EU-Förderung muss barrierefreier werden.

00:13:29: Das ist noch mal so ein bisschen das, was ich mir wünschen würde, dass man in unseren Zeiten,

00:13:33: die wir jetzt auch in den letzten Monaten ja praktisch erlebt haben, dahin kommt,

00:13:37: dass vieles einfach auch im Direktgeschäft, wenn es einfach mal möglich werden muss,

00:13:44: wo quasi die Kommune auf einer Online-Plattform, das soweit es geht, entsprechend auch beantragen kann.

00:13:51: Natürlich werden in der einen oder anderen Stelle auch fachliche Stellungnahmen von weiteren Behörden erforderlich sein.

00:13:57: Es wird auch in Zukunft gerade in größeren Angelegenheiten kommunalrechtliche oder kommunalaufsichtliche Stellungnahmen erforderlich sein,

00:14:04: was die Finanzkraft angeht.

00:14:05: Aber es muss einfach schlank und einfach sein.

00:14:08: Antrag rein.

00:14:09: Ein nachvollziehbares Programm.

00:14:11: Innerhalb einer gewissen Frist gibt es eine Antwort.

00:14:14: Oder es gibt ein Ampelsystem, das einfach noch Unterlagen fehlen.

00:14:17: Also wenn ich den Ausdruck direkt geschäft sage, dann denke ich so ein bisschen ans Bankgeschäft.

00:14:21: Da gibt es im Kreditwesenbereich auch ein Ampelsystem.

00:14:25: Ist das Wohlturm jetzt abgeschlossen, sind alle Unterlagen da, haben die Kompetenzträger zugestimmt, dann ist grün.

00:14:31: Oder fehlt noch etwas, dann ist gelb oder geht es gar nicht, dann ist die Ampel auf rot, weil Parameter einfach nicht passen.

00:14:37: Da müssen wir auf jeden Fall hinkommen.

00:14:38: Durch die EU-Förderung sehr viel weitergekommen ist Sachsen-Anhalt.

00:14:42: Lutz Trümpfer ist Oberbürgermeister in Magdeburg.

00:14:46: Und dazu eine kurze Anmerkung in eigener Sache.

00:14:48: Corona-bedingt mussten wir mit Lutz Trümpfer online das Interview führen.

00:14:52: Deshalb ist die Tonqualität leider nicht sehr gut.

00:14:55: Wir bitten das zu entschuldigen.

00:14:57: Was Lutz Trümpfer aber sehr deutlich sagt ist, ja, die Förderung hat uns geholfen.

00:15:02: Wenn ich das 20 Jahre überschaue, war das für uns eine ganz wichtige Situation.

00:15:06: Dass wir nur viele Programme, ob das den Wirtschaftsbereich betraf, Kulturbereich betraf oder Straßenbamaßnahmen betraf,

00:15:12: auch wieder Förderprogramme angeboten worden, die uns sehr geholfen haben.

00:15:15: Auch die Möglichkeit, die Förderung an die vor Ort Bedürfnisse anzupassen, ist aus seiner Sicht gut, meint Lutz Trümpfer.

00:15:21: Ich denke zum Beispiel, dass man Weiterbildung, Ausbildungssituationen machen kann,

00:15:25: auch für Migranten, die noch in Magdeburg gekommen sind, um davor anzukommen, die machen auch einen Sinn.

00:15:29: Und die kann man manchmal auch kombinieren mit Programmen, die Städtebauförderung betraf.

00:15:32: Wenn ich einen Stadtteil habe, der Nachteile hat, dann kann ich über die Städtebauprogramme und die Kombination mit ESR versuchen,

00:15:39: so ein Stadtteil auch wieder in Strom zu bringen, was natürlich ein langwieriger Prozess ist.

00:15:42: Aber das gibt es schon.

00:15:43: Doch auch für Lutz Trümpfer ist der große bürokratische Aufwand durchaus ein Hemmschuh.

00:15:48: Die Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung schlägt als Einmittel zur Verbesserung und gerechteren Ausgestaltung der EU-Förderung vor,

00:15:55: EU-Förderung aus einem Guss anzubieten, zum Beispiel durch mehr regional abgestimmte Großprojekte für Infrastruktur und Forschungsförderung.

00:16:05: Diese Projekte können seitens der jeweiligen Landesverwaltungen intensiver betreut und in der Öffentlichkeit besser dargestellt werden.

00:16:12: Spezialisten, also hauptamtliche Förderlotsen, sollten dafür auf Landkreisebene eingerichtet werden.

00:16:19: Sie könnten die Projekte von der Einwerbung bis zur Abrechnung betreuen und dabei auch unterschiedliche Quellen kombinieren.

00:16:26: Und was die kleineren Projekte vor Ort in den Gemeinden angeht, schlägt die Studie mehr Flexibilität bei der Förderpraxis und mehr Bürgerbeteiligung vor.

00:16:36: Ein Vorschlag, den auch Lutz Trümpfer voll und ganz unterstützen kann.

00:16:40: Wir machen das grundsätzlich so, dass Förderprogramme, die auch in europäischen Geld co-finanziert werden, in den Stadtteilen vorher diskutiert werden.

00:16:46: Dass auch die Stadtpolitik sich einlöscht und wir festlegen, was hat bei uns Priorität.

00:16:51: Da gibt es eine lange Liste und da wird im Stadtteil am Ende entschieden, mit Bürgerbeteiligung welche Maßnahmen zuerst gemacht werden.

00:16:56: Also, dass eine Einfolge wird unter Bürgerbeteiligung schon festgelegt.

00:16:59: Die EU-Regional- und Strukturförderung kann viel Gutes tun, das haben wir gehört.

00:17:03: Sie muss sich aber bürokratisch verschlanken und besser direkt auf die Bedürfnisse in den Regionen und Kommunen eingehen.

00:17:11: Dafür gäbe es Möglichkeiten, zeigt die Studie und sagen die zuständigen vor Ort.

00:17:16: Die EU-Förderung hat aber auch ein Problem mit sich selbst.

00:17:19: Wie hat Lina Furch anfangs gesagt, sie ist auch das Zeichen dafür, dass die EU eine solidarische Gemeinschaft sein will.

00:17:27: Doch die Zeichen dieser Solidargemeinschaft sind viel zu klein oder auch nicht zu verstehen, war es Studienautor Jens Südekum.

00:17:34: Ja, das ist auf jeden Fall so.

00:17:36: Das haben eigentlich alle Gesprächsparten auch bestätigt, dass die breite Öffentlichkeit eigentlich von diesen ganzen Regionalförder-Maßnahmen überhaupt nichts weiß.

00:17:45: Also, die sieht, da ist man irgendwie ein Schwimmbad saniert worden.

00:17:48: Aber dass jetzt das Geld aus Europa zumindest teilweise kommt, das ist ein vieler noch nicht mal.

00:17:53: Ich meine, wenn man dann so rumschaut und da stehen dann die Bauschilder, da ist das zwar irgendwo die Europaflacke, aber das nimmt eigentlich kaum jemand wahr.

00:17:59: Ein Problem ist auch, dass die Öffentlichkeitsarbeit nicht vereinheitlich ist, sondern es gibt ja verschiedene Programme, verschiedene Töpfe mit etwas kryptischen Namen.

00:18:08: EFRE, ELA, ESF, da kann kein normaler Mensch irgendwas mit anfangen.

00:18:13: Und dann steht eben irgendwo, ja dieses Projekt wurde gefördert von EFRE und keiner weiß, was EFRE überhaupt ist.

00:18:19: Insofern ist ein konkreter Vorschlag, dass man die Öffentlichkeitsarbeit auf jeden Fall bündelt und kombiniert, dass man also einfach als Botschaft aussendet.

00:18:27: Europa zahlt das, damit auch in den reichen Mitgliedstaaten, in den sogenannten Nettozahlern wie Deutschland eben auch bewusst wird, welche Rolle Europa da spielt.

00:18:35: Und ein Stück weit geht es natürlich auch um Professionalisierung.

00:18:38: Also, man kann nicht erwarten, dass die Öffentlichkeitsarbeit so nebenbei von Verwaltungsbeamten gemacht wird, die eigentlich dafür was ganz anderes da sind.

00:18:46: Und die dann so ein bisschen nebenbei versuchen, Werbung zu machen, sondern das müsste eigentlich ein Stück weit auch professionalisiert werden durch entsprechende Kampagnen,

00:18:54: die eben dann ein bisschen auch quasi aus diesen Projekten selber auch finanziert werden könnten.

00:19:00: Denn es ist ja auch wichtig, wenn es eben diese Förderpolitik gibt und davon eben auch Geld nach Deutschland in die anderen reichen Mitgliedstaaten fließt, dass das überhaupt bekannt ist.

00:19:08: Die EU steht gerade vor vielen neuen Weichenstellungen.

00:19:11: Die Corona-Krise hat viele ursprüngliche Pläne und Ziele über den Haufen geworfen oder neu definiert.

00:19:17: Doch einige Aufgaben bleiben im Prinzip trotz neuer Akutapunkte gleich.

00:19:22: Der Zusammenhalt innerhalb der EU, aber auch innerhalb der Mitgliedstaaten muss mehr, muss besser gestärkt werden, um nicht einzelne Regionen abzuhängen, strukturell und politisch.

00:19:34: Dafür ist die EU-Regionalförderung ein guter Weg.

00:19:37: Doch um die Förderung richtig und zielführend zum Einsatz zu bringen, muss sie einfacher zuhandhaben sein.

00:19:44: Das haben wir sowohl von den Expertinnen und Experten als auch den Betroffenen vor Ort gehört.

00:19:49: Sie sagen aber auch, die EU-Regionalförderung hat uns geholfen und unsere Region weiter vorangebracht.

00:19:56: Denn viele Kommunen könnten ihre ganz elementaren und notwendigen Aufgaben ohne diese EU-Gelder gar nicht mehr erfüllen.

00:20:03: Das betrifft den Städtebau genauso die Infrastruktur oder auch die Kultur.

00:20:08: Es lohnt also bei allem Verbesserungsbedarf auch den bürokratischen Aufwand.

00:20:13: Dabei gibt es gute Beispiele, wie der Zugang zu dieser Förderung leichter gemacht werden kann.

00:20:18: Im digitalen Zeitalter sollten Anträge online ausgefüllt, direkt bewertet und schnell umgesetzt werden können.

00:20:25: Und jetzt stehen noch weitere wichtige Vorhaben und Investitionen an, die unser aller Zukunft prägen werden.

00:20:32: Ganz wichtig ist dabei der European Green Deal.

00:20:36: An ihm soll trotz der Corona-Krise festgehalten werden.

00:20:39: Das große Ziel ist, die EU bis 2050 klimaneutral zu machen.

00:20:44: Ein Teil des Grünen-Deal ist die Strategie für grünen Wasserstoff, die die EU-Kommission kürzlich vorgestellt hat.

00:20:51: Auch diese Pläne sind mit vielen Investitionen in die Regionen verbunden.

00:20:56: Finanziert werden sollen sie, wie gehört, zum Teil über Reakt EU und die Koesionsfonds.

00:21:02: Dazu, wie die Förderung besser in den Regionen ankommen kann, gibt die Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung Europas Regionen besser Fördern für Handlungsempfehlungen.

00:21:12: Die Bürokratie muss abgebaut werden.

00:21:14: Alle müssen variärefreien Zugang zu EU-Fördermitteln haben, um nicht nur die zum zukommen zu lassen, die genug ausgebildetes Personal und Eigenmittel haben.

00:21:24: Die Förderung sollte projektorientierte arbeiten.

00:21:27: Lieber mehr größere regional angelegte Projekte mit professionellen Förderlozen auf Landkreisebene.

00:21:34: Und um das Gefühl der EU-Solidarität auch bei den Menschen vor Ort zu stärken, muss die Förderung sichtbarer werden.

00:21:41: Denn auch bei der EU-Förderung gilt "Tourgutes" und "Räte darüber".

00:21:46: Die Öffentlichkeitsarbeit sollte den Menschen vor Augen führen, was die EU-Mittel vor Ort bewirkt haben.

00:21:52: Um die zukünftige Förderpolitik weiterzuentwickeln und passgenauer Zielgruppen orientiert dazu gestalten,

00:21:58: empfiehlt die Studie auch, bei geförderten Projekten genauer hinzuschauen, was ein Erfolg und was ein Messeerfolg war.

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00:22:16: Ich sage danke fürs Zuhören bei Zukunft gerecht, dem Podcast der Friedrich-Ebert-Stiftung. Bis zur nächsten Folge.

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